Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)

In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)

Titel: In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Kristensen
Vom Netzwerk:
entgegen.
    Jekaterina ging nach Hause in ihre kleine Wohnung. Sie hatte Angst, verstand, worum Ljudmila sie gebeten hatte. Was sie tun sollte, war riskant, das wusste sie. Trotzdem war Ljudmilas Risiko noch größer.
    Sie setzte sich auf die Bettkante. Was sie nicht begriff, war der Grund, warum Ljudmila sie darum gebeten hatte. Hätte sie es nicht selbst tun können?
    Ljudmila ging nach dem Gespräch mit Jekaterina im Frauenhaus nicht nach Hause. Sie schlich über die Hauptstraße durch Barentsburg und erwartete jeden Moment, von einer Person überrascht zu werden, der sie von allen Einwohnern am wenigsten begegnen wollte. Aber es ging gut. Sie kam bis zur Wohnung von Vanja und Oksana, ohne bemerkt zu werden. In der Wohnung waren nur noch Vanjas Sachen, das hatte sie vor ein paar Tagen schon kontrolliert. Oksana hatte bereits alles geholt, was sie haben wollte.
    Das Haus war unverschlossen, niemand stahl in Barentsburg. Schließlich konnte man den ganzen Winter über nicht verschwinden. Wenn etwas fehlte und Beschuldigungen ausgesprochen wurden, konnten der Bergwerksdirektor oder der Konsul eine Hausdurchsuchung anordnen. War jemand beim Stehlen erwischt worden, wurde das Vertragsverhältnis mit Trust Arktikugol augenblicklich gelöst, und der Dieb musste zurück aufs Festland – in aller Regel hatte er eine Zukunft mit Not und Arbeitslosigkeit vor sich. Daher stahl niemand.
    Ljudmila öffnete vorsichtig die Tür zu dem kleinen Flur. Es war kalt, die Heizung war seit mehreren Tagen abgestellt. Sie schlich von Raum zu Raum, kontrollierte zur Sicherheit, ob sie wirklich allein war. Wie lange sie brauchen würde, wusste sie nicht, aber sie wollte sich Zeit nehmen, um die Kleider und Habseligkeiten ihres lieben Vanja zu untersuchen. Vermutlich würde sie alles zum letzten Mal sehen.
    Jekaterinas erster Gedanke war, mit dem Büroleiter zu reden, doch ihr kamen Bedenken. Er wirkte so schwach und unsicher, was erwartete sie eigentlich von ihm? Was sollte er tun? Anders wäre es, wenn Kostja noch die Leitung innehätte. Bei ihm hatte es sich um einen Chef mit Autorität und großem Einfluss gehandelt, auch in Murmansk. Er hätte etwas tun können. Aber der Büroleiter? Vermutlich würde er eine Reihe von Sitzungen einberufen, und nichts käme dabei heraus. Jekaterina zweifelte. Schließlich betrat sie doch das Vorzimmer des Büroleiters.
    Zu ihrer Überraschung saß Olga an Jekaterinas Schreibtisch. Die Sekretärin des Konsuls wühlte in ihren Papieren. »Was machst du hier?« Jekaterina war erleichtert, als sie hörte, dass ihre Stimme herrisch klang. Sie sah, wie das Gesicht der jungen Sekretärin flammend rot wurde.
    »Oh, Katja … Ich wollte nur … Du weißt doch, dass der Büroleiter mich gebeten hat, dich zu vertreten. Und als du heute Morgen nicht gekommen bist, dachten wir, du seist krank, und daher …«
    »Du hättest dir nichts verhoben, wenn du zu mir gekommen wärst, um dich zu erkundigen, wie es mir geht.« Sie konnte fantastisch sein, wenn sie wollte. Ihre dünne Gestalt stand aufrecht wie ein Ausrufezeichen. »Hast du in den Unterlagen etwas Nützliches gefunden?«
    »Aber Katja, Liebes, ich wollte doch nur …« Die jüngere Frau schluchzte, als kämen ihr die Tränen, aber Jekaterina glaubte nicht, dass sie anfangen würde zu weinen. Es hätte ihr kunstvolles Make-up zerstört.
    Die Tür zum Vorzimmer ging auf, und der Büroleiter schaute heraus. Hinter ihm stand Igor und reckte sich, um zu sehen, was im Vorzimmer vor sich ging.
    »Ich hörte schrille Stimmen? Was ist denn hier los?«
    »Katja glaubt, ich würde in ihren Sachen herumschnüffeln. Seien Sie so nett und erklären Sie ihr, dass ich lediglich angeboten habe, in einer schwierigen Situation zu helfen.« Olga hatte als Erste eine Erklärung parat, wrang die Hände und sah in ihrer Verzweiflung reizend aus.
    Der Büroleiter drückte den Rücken durch. Mit Olgas Verlobtem im Rücken spürte er eine gewisse Entschlossenheit. »Jekaterina Tarasiwna, wir haben Verständnis dafür, dass Sie ängstlich und verzweifelt sind … Kostjas Tod, die Unsicherheit wegen Ihrer Stellung hier in Barentsburg, die Morde gestern Nacht … Gehen Sie nach Hause und ruhen sich aus. Olga kann den Arzt anrufen, wenn Sie das Bedürfnis haben, mit ihm zu reden.«
    Was meinte er? Die Unsicherheit ihrer Stellung? Jekaterinas Augen verengten sich zu Schlitzen. Nein, sie würde dem Büroleiter nichts erzählen. Wenn etwas schiefgehen sollte, wüsste sie diese Unterhaltung auf

Weitere Kostenlose Bücher