In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)
Tom mit einem weiteren Mord zu belasten, der sich möglicherweise nicht beweisen ließ. Vermutlich würde dadurch nur seine eigene Glaubwürdigkeit noch weiter geschwächt.
Vor der Sporthalle stand ein Wachtposten, doch Knut musste ihn nicht überzeugen. Der Posten erkannte ihn und ließ ihn ohne weitere Fragen passieren. Mit Entsetzen dachte Knut an die Untersuchung der Leiche. Als sie den Direktor aus dem Wasser fischten, hatte er genug gesehen, um zu wissen, dass ihn dieser Anblick noch viele Jahre quälen würde. De Rustin mochte ein zynischer Verbrecher und Dieb gewesen sein, der auch vor brutalen Methoden nicht zurückscheute – aber niemand hatte es verdient, auf diese Weise zu sterben.
Sobald er die Augen schloss, sah er ihr Gesicht vor sich. Sie fuhr nicht mit der »Krasin« und dem Sarg ihres Ehemanns nach Murmansk. Irgendetwas hatte auf dem Weg von der Sporthalle zum Kai eine akute Krankheit ausgelöst. Knut hatte das Gefühl, sich beeilen zu müssen, um sie zu finden.
»Sie hat eine Lebensmittelvergiftung«, erklärte der Arzt kurz und abweisend. Er hatte keine Zeit, sich mit Knut über Oksana zu unterhalten. Er war in die Sporthalle gekommen, damit an der Leiche des Direktors wenigstens formal eine Obduktion vorgenommen wurde. Obwohl es keinen Zweifel über die Todesursache gab, musste es getan werden. »Konstantin Nikolajewitsch – Gott möge seiner Seele gnädig sein – wurde von den Wirbelströmen, die beim Ablegen der ›Krasin‹ entstanden, in den Propeller gezogen. Sie bemerken vermutlich, dass ein Fuß und ein Teil des Armes fehlen, außerdem … Na ja, Sie sehen’s ja selbst.« Der Arzt schüttelte den Kopf. Niemand gewöhnt sich an derartige Anblicke.
Es gab keinen Grund, an den Schlussfolgerungen des Arztes zu zweifeln. Jedenfalls nicht, was die Leiche betraf. Knut warf einen letzten Blick auf den Bergwerksdirektor. »Wissen Sie, was für eine Lebensmittelvergiftung das ist? Wann kann das passiert sein?«, wollte er wissen.
»Salmonellen. Genau wie bei den anderen. Der Herd ist noch nicht gefunden. Es könnte auch ansteckend sein. Im Augenblick habe ich drei Kranke, die im Krankenhaus ihr eigenes Zimmer haben. Oksana ist am schwächsten, aber sie hatte von vornherein nicht sehr viel Kraft. Sie gerät immer wieder in eine Art Traumzustand. Es kommt vor, dass sie mich gar nicht erkennt. Und dann ist sie plötzlich wieder ganz klar und will aufstehen und das Krankenhaus verlassen.«
»Finden Sie es nicht eigenartig, dass Sie den Herd nicht identifizieren können? Das kann doch nicht so schwer sein in einer kleinen Gemeinschaft wie Barentsburg?«
»Ich habe durchaus einen Verdacht«, sagte der Arzt und wandte den Blick ab. »Aber in diesem Fall ist es besser, sichere Beweise zu haben.«
Knut wusste, dass es keinen Sinn hatte, weitere Fragen zu stellen. Er zuckte die Achseln. »Hier können wir wahrscheinlich nichts mehr tun?«
Der Arzt wollte gehen, drehte sich aber noch einmal um. »Oksana Aleksandrovna hat übrigens nach Ihnen gefragt. Sie können sie besuchen, wenn Sie vor Ihrer Abreise noch die Zeit finden. Es würde ihr guttun. Sie hat in der letzten Woche viel durchgemacht. Alles, was sie vom Tod ihres Mannes ablenkt, ist gut für sie.«
Es war bereits später Abend. Der Helikopter stand noch immer auf Heerodden und wartete. Knut hatte gedacht, dass der Polizeichef und die Regierungsbevollmächtigte direkt nach dem Unglück nach Longyearbyen zurückkehren wollten, aber er hatte sich geirrt. Er fand beide im Büro des Konsuls. Als er durch die Tür des Vorzimmers hereinkam, drehten sie sich um und sahen ihn wie einen ungelegen kommenden Fremden an. Irgendetwas ist hier vorgefallen , dachte Knut mit einer merkwürdigen Mischung aus Erleichterung und Unruhe. Endlich. Vielleicht hatte noch jemand am Kai dasselbe gesehen wie er?
Die Regierungsbevollmächtigte erwiderte seinen Blick. »Knut, es tut mir wirklich leid … Du musst hier in Barentsburg bleiben. Tom wollte aber nicht aufbrechen, bevor wir nicht mit dir geredet haben.«
»Was?« Alles drehte sich. Was meinte sie damit?
»Konsul Brodskij hat gerade die Information bekommen, dass Trust Arktikugol einen Sachverständigen aus Murmansk mit einer Sondermaschine nach Spitzbergen entsendet hat, der Untersuchungen vornehmen soll. Der Hubschrauber der Russen holt ihn aus Longyearbyen. Er wird bereits morgen früh in Barentsburg erwartet.«
»Ein Sachverständiger, der Untersuchungen vornehmen soll, sagst du? Also kein
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