In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)
war rot geworden. »Oder es war ein zufälliges Unglück«, sagte er, »das du unnötig dramatisierst.«
»Ich habe es gesehen«, erwiderte Knut leise. »Verdammt noch mal, vergiss das nicht. Das Ganze hatte etwas Konspiratives … so wie er sich unter seiner Kapuze umgesehen hat, als er die Trosse über den Poller schob.«
Anne Lise sah ihn an. »Ich würde nicht so viel darüber reden, wenn ich du wäre, Knut. Wenn du Recht hast, könnte jemand vielleicht auf den Gedanken kommen, dass es vernünftig wäre, wenn du auch verschwändest.«
Tom erhob sich. »Ich bin bereit, dir zu glauben, Knut. Du hattest schon früher Recht. Aber du musst ein Motiv finden. Wenn ich dich richtig verstehe, behauptest du, dass wir es mit zwei Morden zu tun haben. Wenn es dir gelingt, die beiden Unglücksfälle in Zusammenhang zu bringen und ein Motiv zu finden, das mich überzeugt, werde ich sofort die Kripos anrufen und um Unterstützung bitten.«
»Streng genommen ist das wohl meine Entscheidung«, erklärte Anne Lise mit dem Anflug eines Lächelns.
Auf dem Weg zum Krankenhaus sah sich Knut auf der Hauptstraße vorsichtig um, blickte in die Schatten zwischen den Häusern und schaute hinter sämtliche Ecken. Seine knirschenden Tritte im Schnee hallten wider. In der Bergarbeitersiedlung war es ruhig und menschenleer.
Der Arzt hatte das Krankenhaus bereits verlassen. Vom Personal war nur noch eine bissige, groß gewachsene Krankenschwester in einem grauen Krankenhauskittel da. Sie saß am Flureingang des ersten Stocks auf einem Stuhl und hatte auf einem Tisch einige notwendige Dinge angeordnet: Tassen und Schalen, einen Haufen Papierservietten, einen uralten Wasserkocher und ein großes Glas mit etwas, das aussah wie versteinerter Pulverkaffee. Außerdem lehnte ein Holzbrett mit Haken, an denen Schlüssel hingen, an der Wand. Schloss man die Patienten in diesem Krankenhaus ein?
Knut sagte höflich: » Privét .« Er zwang seinen Mund zu einem Lächeln, aber nichts schien die sture Feindseligkeit im Gesicht der Krankenschwester erschüttern zu können.
»Oksana Aleksandrovna?«
» Otluchites . Nicht hier.«
»Doch, sie ist hier. Kam heute Nachmittag.« Wieder packte ihn die Nervosität. Er räusperte sich, um klar und deutlich sprechen zu können. »Makanin … Oksana …«
Ohne das Gesicht zu verziehen, fast so, als hätten sie überhaupt nicht miteinander gesprochen, zuckte die Krankenschwester die Achseln, griff nach einem Schlüssel an dem Brett und schaukelte langsam über den Flur. Sie sah sich nicht um, er folgte ihr ohnehin. Routiniert patschte ihre Hand auf die Lichtschalter und schaltete in dem jeweiligen Abschnitt des Flurs das Deckenlicht ein. Wie es in Barentsburg üblich zu sein schien, erloschen die Lampen wieder, bevor man auch nur den halben Weg bis zum nächsten Schalter hinter sich hatte. Die Wände waren weiß gestrichen, sahen aber grau und abgeblättert aus. Die Flure wirkten endlos und kalt. Nicht ein Stuhl, nicht ein Möbelstück war zu sehen. Kein Bild.
Eine ganze Abteilung war abgeschlossen. Die Krankenschwester öffnete die Türen, und ein strenger Geruch nach Chemikalien schlug ihnen entgegen. Oksana lag in einem der Zimmer auf der linken Seite. Eine vollkommen zufällige Unterbringung, soweit er sehen konnte.
» Stjeriljt «, sagte die Schwester. Er verstand nicht, schüttelte den Kopf. » Stjeriiijt … sauber. Isolate …«
Natürlich. Die Patientin war isoliert. Daher war die Abteilung geschlossen. Knut wusste nicht viel über Lebensmittelvergiftungen. Er war bisher davon ausgegangen, dass sie mit dem Verzehr von verdorbenen Speisen zu tun hatten, aber nicht ansteckend waren. Offenbar irrte er sich. Würde er in Norwegen so leicht in eine derartige Abteilung kommen können? Mangelnde Sprachkenntnisse waren eine ständige Quelle des Misstrauens zwischen Knut und den Russen.
Die Schwester klopfte vorsichtig an die Tür und öffnete sie einen Spalt, damit Knut hineinsehen konnte. Dort lag sie, die Arme auf der Decke, die Augen geschlossen. Sie sah ziemlich krank aus. An einer Hand war ein intravenöser Tropf befestigt. Als Knut sich an der Krankenschwester vorbei in den Raum drückte, bemerkte er, dass Oksana bereits Besuch hatte. Auf einem niedrigen Hocker saß die unvermeidliche Ljudmila.
KAPITEL 27 Vergangenheit
Ljudmila erhob sich, sie schien nervös zu sein. Der korngelbe Haarturm hatte sich gelöst, sie hatte Puderspuren im Gesicht. Sie erklärte der Krankenschwester irgendetwas auf
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