In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)
Todesfällen: Oksana, der Konsul … und Ljudmila. Könnten es noch mehr sein?
Statt in der Arbeiterkantine zu Mittag zu essen, ging Knut ins Krankenhaus, um Oksana zu besuchen. Sie hatte sich angezogen, saß auf einem Stuhl und sah wesentlich besser aus. Der Hocker stand nicht im Zimmer, daher setzte Knut sich vorsichtig auf die Bettkante.
»Ich soll morgen abreisen«, sagte sie. »Der Konsul ist hier gewesen.«
»Freust du dich?« Er vermied es, sie direkt zu fragen, ob sie tatsächlich nach Hause wollte.
»Ich weiß nicht. Ich habe ein bisschen Angst.«
»Ist der Mann aus Murmansk hier gewesen?«
Nein, sie schüttelte den Kopf. »Wer soll das sein?«
Knut erklärte es ihr, so gut er konnte; er erinnerte sich nicht an den Namen. Irgendetwas mit Genewitsch oder so. Er fragte sich immer noch, wieso der nach Barentsburg gekommen war und warum ihn der Konsul nicht erwähnt hatte.
»Oksana, du fährst bald. Nach allem, was du durchgemacht hast, will der Konsul dich sicher nicht quälen.« Er tätschelte ihr die Hand. »Bevor du fährst, musst du mir noch sagen, wie ich Kontakt zu dir aufnehmen kann. Vielleicht sehen wir uns ja noch einmal?«
»Nein. Das ist unmöglich.«
Er musste sie irgendwie aufmuntern. »Hast du übrigens gehört, dass der Arzt den Herd der Lebensmittelvergiftung gefunden hat? Es waren die eingelegten Eier, die ihr bei jedem Mittagessen und jedem Fest serviert. Eigentlich ist es komisch, theoretisch müsste doch ganz Barentsburg krank sein.«
Sie wandte ihm den Kopf zu und sah ihn direkt an. »Was hat der Arzt dazu gesagt? Wieso sind nur ein paar Leute krank geworden?«
»Es handelte sich offenbar nur um ein Glas. Also eins, das schlecht war.« Knut lief es eiskalt den Rücken hinunter. Plötzlich erinnerte er sich, dass Ljudmila Oksana gestern beim Mittagessen bedient hatte. »Der Arzt ist so wütend auf den Stallknecht, dass er ihn am liebsten schon morgen aufs Festland schicken würde. Aber wer soll sich dann um die Tiere kümmern? Nicht gerade ein Traumjob für einen Bergmann.«
»Also war es Grigótovit …« Sie sprach so leise, dass Knut es kaum hörte.
Der russische Ermittler war nicht in der Arbeiterkantine. Knut nahm hastig eine Art Mittagessen zu sich. Er misstraute den meisten Lebensmitteln. Ein bisschen Brot und etwas Käse waren aber vermutlich unbedenklich? Ein paar eingelegte Gurken, die so sauer waren, dass irgendwelche Bakterien sicherlich nicht überleben konnten. Von der Mayonnaise ertrug er nicht einmal den Geruch.
Er ging zurück ins Konsulat, im Glauben, Jewgeni Iwanowitsch – der Name war ihm endlich wieder eingefallen – dort zu treffen. Doch das Sitzungszimmer war leer. Zu dumm, dass sie nichts vereinbart hatten. Knut setzte sich und wartete. Es verging beinahe eine Stunde, bevor er schwere Schritte hörte und der Russe hereinschlenderte. Die Art und Weise, wie er sich bewegte, irritierte Knut.
»Tja, jetzt bin ich überrascht … Sie haben mir etwas voraus.« Rostov drehte einen Stuhl um, setzte sich und legte die Arme auf die Rückenlehne. Was meinte er damit? Knut hielt es für das Beste, nichts zu sagen.
Der Ermittler wischte sich über den Mund und zog die kleine Blechflasche aus der Jackentasche. »Kann nicht sagen, dass ich’s Ihnen zum Vorwurf mache, sie ist ja süß …« Er kicherte und blinzelte. »Aber zurück zur Arbeit … tatsächlich gibt es nicht sonderlich viele seltsame Gerüchte hier in der Stadt. Ich war in der Zeche, im Pausenraum. Am Arbeitsplatz erfährt man die meisten Dinge. Die Leute glauben, Männer klatschen nicht, aber natürlich tun sie das. Sie brauchen bloß nicht so viele Worte wie die Frauen. Und apropos Frauen – ich war auch im Frauenhaus. Hab ein bisschen mit der lieben Ljuda geplaudert …«
Ah ja, Ljuda? Erstaunlich, wie schnell dieser Bursche mit den Einwohnern von Barentsburg bekannt wurde. Knut wunderte sich, dass er sich benahm, als wäre er hier zu Hause.
Der Russe trank aus der Flasche und wischte sich den Mund ab. Er schien sich nicht wirklich darüber im Klaren zu sein, es war eher eine automatische Handlung. Der Blick ging ins Leere, das Gesicht zeigte aber einen ernsthaften Ausdruck. »Ich habe langsam den Verdacht, dass Sie etwas herausgefunden haben. Die Dinge hier in Barentsburg sind nicht so, wie sie sein sollten. Ein gewisses Unbehagen gibt es immer, alles andere wäre seltsam. Es ist ja nicht einfach, in einer so kleinen Gemeinschaft zu überwintern. Es gibt viel Eifersucht, Streitereien im Suff
Weitere Kostenlose Bücher