In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)
Fangquoten, da geht’s ums Geschäft. Die Unglücksfälle sind etwas anderes, Dunkleres … Sehen Sie sich an, was passiert ist, hier gab es Hass. Nehmen Sie Vanja …«
Vanja? Wieder stutzte Knut über seinen familiären Umgang mit Namen und Beschreibungen. »Was meinen Sie …? Dass es eine Prügelei zwischen zwei Bergleuten gegeben hat? Nein, da bin ich nicht Ihrer Ansicht.« Knut schüttelte den Kopf. »Schauen Sie sich den Tatort an, wo der Steiger starb. Nichts deutet auf einen Kampf um Leben und Tod hin. Eher sieht es so aus, als hätte sich jemand an ihn herangeschlichen, als er an der Schalttafel stand, und ihn dann in den Mischer geschubst.«
»Ja, und weiter?« Der Russe sah Knut an, abwartend.
»Diese Person muss den Mischer angestellt haben. Sie kletterte vom Gerüst, stieg auf die Leiter bis zum Rand des Betonmischers und zertrümmerte mit dem Vorschlaghammer Vanjas Hände, so dass er sich nicht mehr festhalten konnte …«
Der Russe nickte langsam. »Wenn es wirklich so passiert ist, Polizeibeamter Fjeld, dann war es kein Totschlag im Affekt. Dann ist es Hass … denn es gehört viel dazu, einem verzweifelten Mann, der versucht, sich aus einer rotierenden Betonmasse zu retten, direkt in die Augen zu sehen und seine Hände zu zerschlagen … um dann zuzusehen, wie er untergeht.«
KAPITEL 29 Der weiße Eber
Normalerweise schlugen die Hühner bei Eindringlingen in den Stall mit heftigem Gekakel, Flügelschlagen und anderem Lärm Alarm. Hin und wieder waren auch ein durchdringendes Grunzen oder Quieken zu hören, furchtbare Geräusche. Der Lärm an diesem frühen Abend bedeutete, dass sich möglicherweise jemand im Stall befand – aber niemand, der in der spätnachmittäglichen Dunkelheit vorbeiging, hätte sich gewundert. Grigótovit versorgte um diese Zeit die Tiere. Das musste man ihm lassen, so unangenehm er sonst auch sein mochte, bei Sauberkeit und Futter war er gewissenhaft. Allerdings gab es nicht mehr so viel zu tun wie früher. Die Kühe waren abgeschafft, und das Pferd hatte man bereits vor vielen Jahren geschlachtet und gegessen. Auch die Schweine gab es nicht mehr, bis auf eins. Belyy Bes, der ekelhafte, fette Eber, der Grigótovit so viel Freude machte, stand in seinem Kober. Völlig unnütz, ein weißer Fleischberg, ein Albino-Schwein mit gewaltigen Hauern im Unterkiefer, roten Augen und hellen Borsten, die ihm aus den Ohren sprossen. Er war gefährlich, davon war in Barentsburg jeder überzeugt.
»Pass bloß auf, dass er dir nicht entwischt«, hieß es, »denn dann erschießen wir ihn.«
»Ach ja?«, antwortete Grigótovit. »Und ihr meint, eine Kugel könnte ihn zu Fall bringen? Wisst ihr nicht, dass er der Satan persönlich ist?« Und dann lachte der Stallknecht, der selbst eine erschreckende Figur war, mit seinen kalten, hellblauen Augen, die von bleichen Wimpern eingefasst waren. Über ihn wurde geredet. Die Leute in Barentsburg wussten das eine oder andere über ihn zu erzählen. Aber diejenigen, die alles über ihn wussten, hielten den Mund. Es war gefährlich, zu viel über Grigótovit zu reden.
Normalerweise mochte Grigótovit die Abendstunden im Stall. Es war warm und angenehm. Er war allein. Das Gebäude war alt, mit schmalen, dunklen Korridoren. Die niedrige Decke dreckig von altem Staub, von den Glühbirnen hingen dünne Spinnwebenschleier, die nur im Laufe von vielen Jahren entstehen können. Der Gestank … alle anderen zuckten zusammen und hielten sich etwas vor die Nase, wenn sie den Stall betraten, nur Grigótovit nicht. Er liebte diesen Geruch und war glücklich … da war etwas, das er nicht erklären konnte, etwas Echtes, die Erde und die Felder der Ukraine vor langer Zeit, als er ein Kind auf einem kleinen, armen Bauernhof gewesen war.
Er murmelte und redete mit sich selbst. »Belyy Bes, Belyy Bes, jetzt wollen wir mal sehen …« Vorsichtig öffnete er den soliden Holzverschlag des Schweinekobers. Der Eber wog gut dreihundert Kilo, ein Riese von einem übellaunigen Schwein. Deshalb musste man sich ihm vorsichtig nähern, das Tier durfte nicht durch abrupte Bewegungen aufgeschreckt werden. Er schloss die niedrige Luke und achtete darauf, dass der Eisenhaken richtig festsaß. Sollte das Schwein entwischen, glaubte er nicht, dass irgendjemand es wagen würde, Belyy Bes zu erschießen. In der Siedlung wussten alle, wie viel Freude er an dem Eber hatte. Die Vergeltung für eine derartige Tat wäre schnell und grausam, daran zweifelte niemand. Aber vor dem
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