In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)
Stalltor herrschten minus zehn Grad und ein scharfer Wind. Der arme Bes hatte kaum Borsten am Körper, nichts, was ihn gegen die Kälte schützte. Er könnte sich Erfrierungen am ganzen fetten Körper zuziehen.
Das Schwein ließ ein irritiertes Grunzen hören, als der Eisenhaken einschnappte, es war heute Abend unruhig. Grigótovit betrachtete mit Sorge die umhertrippelnden Füße mit den messerscharfen Klauen. Was hatte seinen Bes erschreckt? Er richtete sich auf und horchte, hatte er an der Stallwand vor dem Fenster Schritte gehört?
»Belyy, Belyy, Belyy«, lockte Grigótovit den Eber mit sanfter Stimme. »Komm schon, komm schon … komm zu Väterchen.«
Die Augen des Schweins leuchteten rot gesprenkelt aus der weißen Borste, aber er ließ es zu, dass Grigótovit vorsichtig die Hand ausstreckte und ihn mit einem kratzenden Geräusch am Kopf kraulte. Das Grunzen wurde leiser, zufriedener. »So ist es gut, Belyy Bes.«
Der Stallknecht bewegte sich langsam durch den Kober und fegte mit ruhigen Bewegungen den Dung des Vortages, Stroh und Staub von dem groben Betonboden in eine Ecke. Er streute frisches Stroh auf den Boden und schaufelte den Unrat in einen großen Zinkeimer. Der Blick des Schweins folgte ihm, als er den Eisenhaken hochzog und aus dem Kober trat.
Grigótovit verbrachte deutlich weniger Zeit bei den Hühnern, obwohl er den Lärm und das Flügelschlagen, die Panik und den Schrecken mochte, wenn er eines schlachtete. Leider war der Hahn im Vorjahr gestorben, und seine Bitte um einen neuen Hahn vom Festland hatte man abschlägig beschieden. Der ganze Stallbetrieb sollte eingestellt werden. Bei lediglich achthundert Einwohnern war es wirtschaftlich nicht mehr zu verantworten. Grigótovit hatte geseufzt, aber eigentlich war es ihm egal. Er kehrte ja bald aufs Festland zurück.
Ein merkwürdiges Beben durchfuhr seine Brust, er wusste nicht recht, was es war. Furcht? Oder vielleicht Vorfreude … zum ersten Mal in seinem Leben als Erwachsener war er frei und konnte tun, was er wollte. Nur wie sollte er Belyy Bes aufs Festland mitnehmen? Die Schiffsfracht würde ein Vermögen kosten. Und wo sollte er das Schwein unterbringen, wenn er in die Ukraine kam? Vielleicht war es ebenso gut, noch ein Jahr in Barentsburg zu bleiben. Niemand würde wagen, es ihm zu verweigern … er wusste zu viel über die Dinge, die sich hinter den dunklen Fenstern und den geschlossenen Türen abspielten.
Jetzt gab es keinen Zweifel mehr, jemand war in den Stall gekommen. Die große, schwere Eingangstür quietschte in ihren Angeln und klappte wieder zu. Grigótovit drehte sich um.
»Na, sieh mal einer an, du bist es?« Er sagte es beinahe gleichgültig, doch er hatte das stattliche Messer in der Hand des anderen Mannes gesehen. »Bist du gekommen, um mich umzubringen?«
Die kolossale Gestalt bewegte sich trotz der Grubenstiefel leise über den Betonboden. Er füllte den Türrahmen und senkte den Kopf, um hereinzukommen. Das Gesicht teilte sich in einem zahnlosen Grinsen. Die Bergarbeiterjacke war groß wie ein Zelt, aber er trug weder eine Kopfbedeckung noch Handschuhe. Die Ohren waren rot von der Kälte, die draußen herrschte. Ohne zu antworten, blieb er stehen und sah sich prüfend um.
»Was hättest du davon, mich zu ermorden? Ich meine, gerade jetzt? Das gibt ein Höllenspektakel – und Vanja ist doch tot. Er kann dich nicht mehr belohnen oder beschützen.« Grigótovit redete leise, er hatte den Eisenhaken aus der Verankerung gezogen und schob sich zurück in den Schweinekober. In der Hand hielt er einen Eimer mit gekochten, zerstampften Kartoffeln und Essensresten aus der Kantine – nicht viel, nur Kohlblätter und andere Sachen, die die Gäste nicht gegessen hatten. Für das Schwein war es noch gut genug, fand Ljudmila. Außerdem wusste Grigótovit, dass sie in der Küche erklärt hatte, zu Weihnachten würde der Eber geschlachtet, so unangenehm und gallig das Fleisch auch schmecken mochte.
Das Schwein senkte den Kopf und entblößte die Eckzähne. Es scharrte nervös mit einem der Vorderfüße, guckte abwechselnd auf Grigótovit und den Russen vor dem Kober, ein Zittern lief über seine Flanken. Es wurde langsam böse. Normalerweise bekam es sein Futter im Trog, alle Veränderungen irritierten es. Grigótovit wagte sich sogar ein wenig näher an das Schwein heran. Er wollte sehen, ob der andere den Mut hatte, den Kober zu betreten.
Der zahnlose Russe lehnte an der Wand, das Messer in seiner großen Faust. »Warum
Weitere Kostenlose Bücher