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In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)

In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)

Titel: In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Kristensen
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an der Scheune an die Kette gelegt, an ihren alten Platz.
    Aber Bella war nicht mehr derselbe Hund. Sie war ängstlich und nervös, sie hatte sich bei dem Kampf mit dem Bären eine Augenverletzung zugezogen und einen Großteil ihrer Sehfähigkeit verloren. Sie glaubte, jeder, der sich ihr näherte, wollte sie angreifen; sie knurrte, biss um sich und fletschte die Zähne. Meine Mutter traute sich nicht mehr, ihr Fressen zu bringen, und mein Vater wusste nicht, was er tun sollte. Eines Tages biss sie meinen großen Bruder, dann war Schluss.
    Ich bettelte so sehr darum, dass Bella am Leben bleiben durfte. Sie würde sich schon wieder bessern, mein Vater musste ihr nur etwas mehr Zeit lassen. Doch er hatte sich entschieden. Eines sehr frühen Morgens holte er sein Gewehr aus dem abgeschlossenen Schrank im Flur, ging hinaus, schloss Bellas Kette auf, nahm sie mit hinter die Scheune und erschoss sie.«
    Oksana hatte seine Hand ergriffen. »Chnuet, das war nicht deine Schuld … du hast getan, was du konntest.«
    »Ja, ich weiß. Mein Vater versuchte es mir zu erklären, aber ich war ihm viele Jahre böse. Eigentlich habe ich ihm nie verziehen.«
    Sie rührten das Essen nicht an. Beide hatten den Pulverkaffee probiert, aber Knut schnitt eine derartige Grimasse bei der bitteren, dickflüssigen und kalten Brühe, dass Oksana lachen musste.
    »Kann ich dich in der Ukraine besuchen?«, fragte er und zerstörte mit seiner Frage die Stimmung.
    Sie hatte sich im Bett aufgesetzt und ein paar Kissen in den Rücken gestopft. »Ich weiß, weshalb du hier bist«, antwortete sie und wandte den Blick ab. »Du suchst jemanden, der dir helfen soll, den Mörder von Vanja zu finden.«
    »Ja, kann schon sein.«
    »Und was ist, wenn ich es nicht kann …« Sie sah verzweifelt aus.
    Sag es mir einfach , dachte er. Warst du dort? Weißt du, wer ihn getötet hat? Was kann so schlimm sein, dass du es mir nicht erzählen willst? Hatte er den letzten Satz laut ausgesprochen? Weinte sie? Er wagte nicht aufzublicken.
    Schließlich brachte sie einen Ton heraus. »Ich hatte keine Puppen als Kind … aber ich hatte ein Kaninchen, ein richtiges, lebendiges Kaninchen. Es stand in einem Käfig hinter dem Haus. Sanft, mit grauem Fell. Große blanke Augen. Ich habe es mit Gras und gelben Blumen gefüttert, die ihm sehr gut schmeckten. Unser Haus lag in einem Wald. Es war so dunkel und beängstigend zwischen den Bäumen. Ich hatte Angst, dass ein Fuchs oder ein anderes Raubtier sich heranschleichen und mein Kaninchen töten würde.
    An einem Tag im Herbst spielte ich hinter dem Haus, als zwei Männer die Straße heraufkamen. Sie gingen ins Haus. Ich hörte, wie mein Vater anfing zu brüllen, es entstand ein gewaltiger Lärm … alle schrien. Nach einer Weile wurde es ruhig, und da bekam ich noch mehr Angst. Ich lief in den Wald und versteckte mich.
    Die Männer kamen aus dem Haus, der eine trug einen Kanister. Er goss etwas an den Stall und zündete ihn an. Die Flammen waren so hoch, dass ich mich unter einem Baum versteckte, dort muss ich auch eingeschlafen sein. Als ich aufwachte, waren die Männer verschwunden. Das Haus brannte, es war so heiß, dass man es bis auf die Haut spürte. Ich bin trotzdem in die Küche gegangen. Mein Vater war tot, sein Kopf lag ganz verdreht auf dem Boden. Meine Mutter lag an der Tür zum Wohnzimmer, mit tiefen Wunden an den Armen. Ich suchte nach den anderen, aber es war so heiß im Haus … und überall war Blut. Ich dachte, ich hätte einen Albtraum, und gleich würde jemand kommen und mich trösten … also setzte ich mich neben meinen Vater auf den Boden und wartete. Aber es kam niemand, und es wurde so fürchterlich heiß.
    Ich lief hinaus, um das Haus herum. Der Käfig, in dem mein Kaninchen wohnte, war kaputt, das Kaninchen war tot. Die Männer hatten ihm den Kopf abgeschnitten. Verstehst du, wie jemand so etwas machen kann? Wieso haben sie das Kaninchen umgebracht?«
    Sie weinte. Knut setzte sich aufs Bett, legte seine Arme um sie. Aber er musste fragen.
    »Hast du die Männer erkannt? Wusstest du, wer sie waren?«
    Sie antwortete nicht.
    »Oksana, hast du sie später wiedergesehen … hier in Barentsburg?«
    Sie antwortete so leise, dass er sie kaum verstand. »Der eine ist jetzt tot …«

KAPITEL 28 Der Ermittler
    Der Sachverständige aus Murmansk traf bereits am nächsten Morgen in Barentsburg ein. Ein Gewitter aus Hubschrauberlärm dicht über der Siedlung kündigte seine Ankunft an. Knut ging zum Konsulat, wo die

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