In manchen Nächten: Kriminalroman (German Edition)
Gespräche bereits begonnen hatten. Ihm gefiel der Mann vom ersten Moment an nicht.
Jewgeni Iwanowitsch Rostov fläzte sich auf dem Sofa, dickbäuchig und mit aufgedunsenem Gesicht. Ungewaschenes halblanges Haar. Kräftige schwarze Augenbrauen, braune Augen, darunter Tränensäcke bis über die Wangen, wie bei einer Bulldogge. Er trug abgetragene, ausgeblichene Kleidung und dicke Lederstiefel. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, sie an der Garderobe auszuziehen. Trotz des schäbigen Eindrucks strahlte er eine Selbstsicherheit aus, die ihn augenblicklich zum Mittelpunkt des Büros werden ließ. Er ähnelt eher einem berühmten ehemaligen Polarforscher als einem Polizisten , dachte Knut verärgert und setzte sich ganz hinten an den Sitzungstisch, um seine reservierte Haltung zu demonstrieren. Das Büro der Regierungsbevollmächtigten hatte die juristische Hoheit auf Spitzbergen. Bei dem Sachverständigen, den Trust Arktikugol nach dem Tod des Grubendirektors geschickt hatte, handelte es sich lediglich um eine Privatperson.
Der Konsul war im Laufe der letzten vierundzwanzig Stunden um zehn Jahre gealtert. Er bewegte sich schwerfällig in seinem eigenen Büro, fingerte an den Dokumenten auf seinem Schreibtisch herum und schaute unablässig und nervös auf den Dolmetscher. Suchte Unterstützung selbst bei den trivialsten Äußerungen. »Ganz Barentsburg ist schockiert über die jüngsten Entwicklungen. Erst Vanja und nun dies. Es kam wie ein Blitz aus … wer hätte sich vorstellen können, dass Kostja … Nicht wahr, wer hätte das voraussehen können?«
Der Dolmetscher hatte sich neben Knut gesetzt. Er sprach leise und vertraulich. »Wir warten auf den stellvertretenden Bergwerksdirektor. Er ist tief erschüttert.«
Und wie reagierst du selbst, Gosja?, dachte Knut. Wie geht es dir heute? Bist du traurig … oder entsetzt? Tatsächlich war an seinem Benehmen keinerlei Unterschied festzustellen. Solange de Rustin gelebt hatte, war der Dolmetscher als ein unterschätzter, hin und wieder kujonierter Freund des Direktors in Erscheinung getreten. Nun, da er tot war, schien es, als hätte der Dolmetscher ihn nie gekannt.
Wie sich herausstellte, hatte der örtliche Büroleiter des Trusts die Leitung der Zeche übernommen. Er setzte sich vorsichtig auf einen der Stühle, fühlte sich offensichtlich unwohl in seiner Rolle und sagte es geradeheraus. »Ich bin kein Experte für Kohleförderung, mein Fachgebiet ist die Ökonomie. Selbstverständlich werde ich tun, was ich kann – bis ein neuer Direktor gefunden ist. Laut Generaldirektorium in Murmansk kann es einige Wochen dauern. In der Zwischenzeit muss ich mich auf Igor Grigorowitsch verlassen, den Vertreter der Gewerkschaft. Die Zusammenarbeit mit ihm ist immer ausgezeichnet gewesen.«
»Wie steht es um die Sicherheit der Mine? Du kümmerst dich doch …« Die Augen des Konsuls strahlten Angst aus, sie suchten im Büro nach Hilfe.
Der Büroleiter wich dem Blick aus. »Die Sicherheit wird gewährleistet, so gut es sich machen lässt. Die Routinemessungen erfolgen, der Methangasgehalt wird zu Beginn jeder Schicht bestimmt. Man hält Übungen ab, bei denen durchgegangen wird, was bei einer eventuellen Gasexplosion zu geschehen hat … mit der Ausrüstung, die wir hier in Barentsburg haben.«
Der Mann aus Murmansk hatte bisher kein Wort gesagt. Seine Augen glitten von einem zum anderen, flink wie bei einem Eichhörnchen. Offenbar hielt er es ebenfalls für eine schwierige Situation. Knut hatte sich aus den gleichen Gründen zu einer abwartenden Haltung entschlossen.
Der Dolmetscher räusperte sich. »Vielleicht wäre es sinnvoll, Dima, wenn die beiden Ermittler mit ihrer Arbeit begännen … dann können wir uns um die eher gesellschaftlich relevanten Konsequenzen kümmern … was zu tun ist im Zusammenhang mit Kostjas …«
Der Konsul richtete sich auf und starrte den Dolmetscher kühl an. »Genau das wollte ich auch gerade vorschlagen.« Er wandte sich an Knut. »Ich wünsche einen baldigen Bericht über Ihre Arbeit. Heute Nachmittag. Allerdings nicht, weil ich an ein anderes Ergebnis glaube, als dass Kostja bei einem Unfall ertrunken ist …«
Knut und der Sachverständige saßen sich am Tisch des Sitzungszimmers gegenüber und beobachteten sich wie zwei Rivalen. Das Englisch des Russen war brauchbar, aber sein Akzent so schwer, dass er bisweilen ausgesprochen schwierig zu verstehen war. Seiner Selbstsicherheit tat es keinerlei Abbruch.
»Tja, Polizeibeamter
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