In meinem kleinen Land
erstklassige Clubs sehen (in der Reihenfolge der Entfernung von nah nach weit): Bayer Uerdingen, Fortuna Düsseldorf, MSV Duisburg, Borussia Mönchengladbach, Bayer Leverkusen, Rot-Weiß Essen, FC Köln, Fortuna Köln, Alemannia Aachen, VFL Bochum, Wattenscheid 09, Schalke 04.
In meiner Kindheit war neben den Bayern im unfassbar weit entfernten München natürlich Borussia Mönchengladbach der beliebteste Verein. Das war so eine Underdog-Sache. Das kleine Mönchengladbach, dessen Name so lang war, dass er auf den Spielergebnistafeln bei Ernst Huberty immer mit einem Auslassungszeichen verstümmelt wurde: ’Gladbach. Die Fohlen waren in den siebziger Jahren eine Macht in Grün-Schwarz-Weiß.
Das ist lange her. Den Bökelberg gibt es nicht mehr. Die Mannschaft, die sich manchmal mit Stars vor der Pensionierung wie Christian Ziege oder Giovane Elber schmückt, weil sie für aufstrebende Topspieler kein Geld hat, dümpelt so im Mittelfeld herum. Reicht nicht für den UEFA-Cup, aber auch nicht für den Abstieg. Früher gab es viele solcher Mannschaften, heute sind die rar. Zwischen Abstieg und internationalem Geschäft liegen heute kaum mehr als sieben oder acht Punkte. Ich wage die Behauptung, dass sich die Leute auf der Autobahn viel häufiger fragen würden, was denn wohl das Kennzeichen «MG» bedeuten mag, wenn es die Borussia nicht gäbe. Niemand würde Mönchengladbach kennen. Außer die Mönchengladbacher natürlich.
Die haben schwer zu kämpfen mit dem sichtbaren Niedergang ihrer Stadt. Jedenfalls scheint das so, wenn man als Besucher in die Fußgängerzone kommt, die sich steil bergauf schlängelt und so breit ist wie eine Panzerteststrecke. Im Winter kann man hier einen schönen Riesenslalom-Parcours abstecken. Es hat wohl mal eine Blütezeit gegeben, aber die ist lange her. Man munkelt davon, dass die Stadt in der Hand von kriminellen Russlanddeutschen sei und eine Verbrechensrate wie Moskau habe.
Ein Bauschild kündigt an, dass bald in der Fußgängerzone mit Bauarbeiten begonnen werde. Man will die Innenstadt wieder attraktiver machen, enger, grüner. Eine gute Idee ist das. Vielleicht fällt der Stadt auch noch ein, was sie mit ihrem Theater macht.
Das Stadttheater von Mönchengladbach erinnert irgendwie an den Palast der Republik in Berlin. Die Scheiben blind, der Eingang vermüllt, auf den ausladenden Stufen davor sitzen Punks mit ihren Hunden. Theater sei nicht gelaufen, hier in ’gladbach, erzählt man mir. Da habe man das Haus eben umgewandelt in ein Musical-Theater. Das Musical hielt ein knappes Jahr durch, dann war es pleite, denn die Mönchengladbacher wollten nicht einmal für ein blödes Musical in ihr Stadttheater gehen. Das ist jetzt ein paar Jahre her, und kein Mensch weiß, was man nun noch mit dem riesigen Schuppen anfangen soll. Zum Theater gehört auch eine irgendwann mal hoffnungsfroh eröffnete Einkaufspassage, die «Theatergalerie». Und genau dort lese ich heute Abend.
Zur Lesung kommt auch ein alter Freund, der hier in Mönchengladbach wohnt. Habe ihn dreizehn Jahre nicht gesehen. Wir spazieren zur Ausgehmeile von Glabbach, der Altstadt rund um den Abteiberg. Hier laufen am Wochenende bei schönem Wetter die Männer in dreiviertellangen Hosen herum und tragen dazu knallbunte Turnschuhe und Füßlis, damit sie keine Käseschorken bekommen. Gibt es überhaupt etwas Entsetzlicheres als Männer mit Füßlis in knallbunten Turnschühchen? Nein. Die sogenannte Metrosexualität hätte gut daran getan, vor männlichen Mönchengladbachern haltzumachen.
Es wird langsam warm, bald beginnt die Heizpilzsaison auf dem Abteiberg. Im Moment lagern sie aber noch in dem Schrank, wo im Winter auch die Füßlis, die Dreiviertelhosen, die Tattoos und die gelben Turnschuhe aufbewahrt werden.
Brake. Die Weser fließt, wohin sie will
9. Mai 2006
Aufwachen und die brennende Frage im Kopf: Wo ist Brake? Ganz einfach: Unterweser, in der Mitte eines Dreiecks zwischen Oldenburg, Bremerhaven und Bremen. Nie von gehört? Ich auch nicht, macht aber nichts. Dadurch wird so eine Reise erst spannend.
Auf der Taxifahrt von Oldenburg nach Brake sieht man weiter nichts als Weiden mit Kühen drauf, die Euter voller Milch und im Gesicht Geringschätzung für Reisende. Endlos sind die Wiesen, saftig, grün, friesisch. Eine wunderbare Gegend, falls man Sehnsucht nach dem Nichts hat. Die Unterweser ist eigentlich am ehesten bekannt für sein Atomkraftwerk, das neben Atomstrom gelegentlich auch Störfälle
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