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In meinem kleinen Land

In meinem kleinen Land

Titel: In meinem kleinen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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länger als im Westen. Links orange Sonne, rechts roter Himmel. Ich fragte meinen Vater, warum die Sonne zweimal unterging und ob das ein Wunder sei? Er antwortete, das im Osten sei Duisburg. Lange Zeit habe ich deswegen geglaubt, Duisburg sei ein Stern. Erst später wurde mir klar, dass es der Abstich in Duisburg war, den man bis über den Rhein sehen kann.

    Duisburg ist unglaublich groß. Zweihundertzweiunddreißig Quadratkilometer. Man sollte meinen, dass die Duisburger demzufolge unheimlich viel Platz haben, aber man vergisst dabei, dass ein erheblicher Teil der Fläche von Duisburg für den Hafen draufgeht, Europas größter Binnenhafen. Die Duisburger selbst müssen dann doch ziemlich eng zusammenrücken, außer in ihrer Fußgängerzone. Die ist so breit, dass dort sogar ein Langstreckenflugzeug, das es nicht mehr bis zum Düsseldorfer Flughafen schafft, landen könnte.
    Wofür ist die Stadt sonst noch berühmt? Für Kommissar Schimanski natürlich. Den MSV Duisburg, eine sympathische Traditionsmannschaft, die den Verteidiger Bernhard Dietz hervorgebracht hat und sich «Die Zebras» nennt. Heute haben sie die letzte Chance, die Klasse zu erhalten, wie man das in Fachkreisen nennt, wenn man dem Abstieg gerade noch einmal entrinnt.
    Und König Pilsener kommt natürlich aus Duisburg. Das galt früher mal als ganz üble Maurerbrause. Dann wurde das Etikett umgestaltet, die Flasche verschlankt und eine Werbeagentur engagiert. Inzwischen trinken Reinhold Beckmann und Boris Becker in Anzeigen KöPi. Die Werber hoffen, dass etwas von deren Glanz auf das Bier abstrahlt. Es ist aber eher zu befürchten, dass etwas vom Bier-Image auf Reinhold Beckmann abstrahlt. Aber dem ist das wahrscheinlich wurscht.

    Die Stadt befindet sich, wie das ganze Ruhrgebiet, im Wandel. Im Hafen werden Industrieflächen in Wohnquartiere umgewandelt. Dort entstehen schicke Lofts, die sich aber die meisten Duisburger nicht leisten können. Die Arbeitslosenquote liegt bei über siebzehn Prozent. Was aber in dieser Stadt offenbar stark nachgefragt ist, sind Handys und weiße Schnellfickerhosen. Ich zähle auf einhundertdreißig Metern Fußgängerzone neunzehn in weißen Jogging-oder-sonst-wie-von-Gummibändern-gehaltenen Freizeithosen telefonierende Passanten beiderlei Geschlechts. Eine kleine Frau von Anfang zwanzig steht mit mir in der Schlange vor dem Eiscafé und telefoniert mit ihrem Macker. Krise, würde ich sagen.
    «Isch hab disch nisch weggedrückt, mein Speischer war voll … Hallo! Der war wirklisch voll. Kannsze ja nachkucken nächstes Mal … Wie, gibt kein nächstes Mal? Boh, weil du misch einmal nisch erreichst? … Dat wills du gar nich wissen … Neee, das willst du nicht wissen … Ich sagget dir aber nisch … Dat will ich gar nicht wissen … Alda, du has’ so den Knall nisch gehört … Dat is mir so egal.»
    Dann klappt sie das Handy zusammen. Offenbar ist ihr Speicher voll.

    Abends nach der Lesung erfahre ich die bittere Nachricht des Tages: Duisburg ist abgestiegen.

Mönchengladbach. Heizpilze und Füßlis raus
    4. Mai 2006
    Fahre durch Willich. Das ist ein Ort am Niederrhein, der einen Golfplatz im Freizeitangebot hat und Ortsteile mit klangvollen Namen wie «Anrath» oder «Schiefbahn». Gegen die habe ich als Kind Fußball gespielt. Unser Trainer hat uns immer mit seinem gelben Ford Taunus eingesammelt. Da konnte er bis zu sieben Jungen reinstopfen. Hinter ihm fuhr der Jugendwart mit einem grauen Opel Rekord und den anderen sieben aus unserer Mannschaft. Ich spielte beim TuS Bösinghoven. Und dann ging es über die Dörfer: nach Schiefbahn oder Anrath oder Kaarst oder Fischeln. Während des Spiels brüllte unser Trainer immer über den Platz. «Lass knacken!» «Geh! Geh! Geh!» Er meinte es sicher nicht böse, aber wir hatten wirklich Angst vor ihm. Wenn es schlecht lief, schrie er: «Do kriss gleisch ein paar hinner die Hööörner!» In der Halbzeit bekam jeder von ihm eine halbe Tafel Dextro Energen. Das war für mich immer der Höhepunkt des Spiels.

    Dann weiter nach Mönchengladbach. Sind nur ein paar Kilometer. Der Ort hieß vor Urzeiten Münchengladbach, wurde aber umbenannt, um Verwechslungen mit München auszuschließen. Mir egal. Ich sage wie alle Niederrheiner ohnehin: Glabbach. Und nicht Mönchengladbach.
    Was wäre dieser Landstrich bloß ohne Fußball? In der Gegend, in der ich aufgewachsen bin, konnte man im Umkreis von nur fünfzig bis sechzig Kilometern folgende mehr oder weniger

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