In meinem kleinen Land
hinweisen, dass die Benutzung eines Latex-Präservativs in unserem Hause obligatorisch ist und eine Benutzungs- sowie eine Hygienegebühr nach sich zieht.»
«Und wie hoch fällt die aus?»
«Achtzehn Euro.»
«Und wenn ich selbst ein Präservativ beibringe?»
«Das kann ich leider nicht erlauben. Ich bin hier für die Sicherheit zuständig. Dafür werden Sie Verständnis haben.»
«Selbstredend. Aber Sie werden im Gegenzug verstehen, dass ich unter diesen Umständen die Masturbation unter Zuhilfenahme eines Telefongesprächs vorziehe. Das kostet nur etwa zwölf Euro.»
«Aber es entgeht Ihnen das sensorische Erlebnis.»
«Damit muss ich leben. Als geschiedener Mann bin ich das gewohnt.»
«Gut, dann danke ich Ihnen auf jeden Fall für Ihr Interesse.»
«Ja, danke auch für das Angebot. Vielleicht komme ich noch darauf zurück. Ich bin in zwei Tagen wieder in Düsseldorf.»
«Da müsste ich Sie enttäuschen. Die junge Dame von Zimmer zweiunddreißig ist nur noch bis heute Abend bei uns. Sie reist dann weiter nach Bremen.»
«Ach so.»
«Ja, ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.»
«Augenblick. Ich überlege gerade, ob es nicht doch einen Weg gäbe. Wenn Sie mir geringfügig entgegenkämen.»
«Um zehn Euro. Mehr ist nicht möglich. Wir müssen auch kosteneffizient arbeiten.»
«Sicher. Einverstanden.»
«Dann darf ich Sie nun bitten, mitgebrachte Speisen und Getränke bei mir abzugeben.»
Ich kenne keine Stadt, die für mich so von einer Farbe geprägt ist wie Dortmund: Gelb. Das hat natürlich mit den Trikots der Borussia zu tun. Dortmund ist gelb. Und nicht besonders schön. Jedenfalls nicht auf der Strecke, die ich mit dem Zug passiere. Es ist aber auch nicht hässlich. Es sieht nur so ungeliebt aus, so aufgegeben. Dortmund ist wie eine Frau, die sich nach dem fünften Kind nicht mehr die Haare kämmt, weil sowieso alles egal ist.
Kurz vor der Einfahrt in den Hauptbahnhof, also immerhin mitten in der Stadt, passieren wir eine riesige Brachfläche, in deren Mitte ein kaputter Ziegelturm steht, auf dem noch das riesige «U» der Union-Brauerei thront. Soll hier ein Shoppingcenter entstehen, oder weiß man da jetzt auch nicht weiter?
Dortmund hat einen riesigen, wenn auch durch die ganze Innenstadt zersiedelten Weihnachtsmarkt. Nicht so hübsch wie in Bonn, aber viel, viel größer. Das Angebot ist überall dasselbe, und man kennt es seit Jahren. Neu sind nur diese großen Deko-Figuren. Mag ich nicht. Besonders blöd finde ich Dick und Doof als Kellner, gerne auch als besoffene Kellner. Man kann ihnen Flaschen aufs Tablett stellen. Da lobe ich mir doch die Schnitzkunst des Erzgebirges. Die brennt wenigstens richtig.
In Dortmund ist mir mal etwas sehr Peinliches passiert. Ich nutze die Gelegenheit, mich hier und jetzt bei einem Dortmunder zu entschuldigen, dessen Namen ich nicht kenne. Ich weiß nicht einmal mehr, wie er aussah, aber die Sache war wirklich sehr unangenehm.
Ich war damals auf der Zivildienstschule in Herdecke. Wir haben da zum Beispiel gelernt, wie man Betten faltenfrei bezieht. Das lernt man bei der Bundeswehr auch, und es ist die einzige Gemeinsamkeit der beiden Ausbildungen, würde ich sagen. An einem Tag fuhren die Zivis mit ihren Ausbildern in die Dortmunder City. Dann wurden Rollstühle aus dem Bus geholt und Wolldecken. Die eine Hälfte von uns setzte sich in die Rollstühle, die andere Hälfte schob. Wir sollten auf diese Weise lernen, die Welt aus der Perspektive eines Behinderten zu sehen und die Schwierigkeiten zu erfahren, mit denen man als Rollstuhlfahrer leben muss.
Ich wählte mit zwei Kollegen ein Dortmunder Museum aus. Es war ein modernes Haus mit sehr steilen Treppen im Inneren. Da war kein Hochkommen, keine Chance. Ich saß im Rollstuhl und jammerte. Da tauchte ein Herr auf und bot meinen Kollegen an, mich gemeinsam im Rollstuhl die ungefähr vierzig Stufen hochzutragen. Bevor wir sagen konnten, dass dies nur eine Übung, quasi das Äquivalent zu einem Bundeswehrmanöver war, legte er schon Hand an, und wir ließen ihn gewähren. Gemeinsam asteten sie den Rollstuhl über die Treppe. Oben angekommen, dankten wir ihm sehr, und er antwortete, das sei doch absolut selbstverständlich.
Nach ein paar Minuten drängte ein Zivi-Kumpel darauf, jetzt mal zu tauschen. Wir rollten in einen Raum, in dem sich gerade niemand befand, ich stand auf, er setzte sich in den Rollstuhl. Genau in dem Moment, als ich fürsorglich die Wolldecke über seine Beine legte, stand
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