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In meinem kleinen Land

In meinem kleinen Land

Titel: In meinem kleinen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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Sie mit der Käsesemmel technisch nicht telefonieren können, können Sie sich die Käsesemmel straffrei ans Ohr halten.»
    Dann bekam ich eine Anzeige und einen Punkt. Kostet vierzig Euro. Und ich musste am nächsten Morgen auf der Wache erscheinen, um dort meinen Führerschein und die Papiere vorzulegen.
    Immerhin erfahre ich bei dieser Gelegenheit, was die Formulierung «allgemeine Verkehrskontrolle» eigentlich bedeutet. Ich frage danach, weil mir nie klar war, warum Polizisten einzelne Autos kontrollieren, aber dabei immer von einer «allgemeinen Verkehrskontrolle» oder wahlweise einer «allgemeinen Fahrzeugkontrolle» sprechen. Das «allgemein» bezieht sich keineswegs auf die Allgemeinheit, also alle Verkehrsteilnehmer, sondern auf das angehaltene Fahrzeug, dessen Allgemeinzustand überprüft wird. Eigentlich wäre es aber doch verständlicher, wenn die Herrschaften sagen würden: «individuelle Fahrzeugkontrolle».

    Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber wohnt in Wolfratshausen, von wo aus er morgens in halsbrecherischer Fahrt in die Staatskanzlei donnert. Er ist immer in einem Autokorso unterwegs, und ich glaube, deswegen hat er die Bundestagswahl 2002 gegen Gerhard Schröder verloren. 6028 Stimmen haben Stoiber damals gefehlt, und diese Zahl entspricht ziemlich genau der jener eigentlich CSU wählenden Verkehrsteilnehmer auf der Strecke Wolfratshausen – München, die der Ministerpräsident in den vergangenen Jahren rücksichtslos bedrängt und genötigt hat. Die Begleit-BMWs des Ministerpräsidenten im Nacken, überlegt man sich zweimal, ob man diesen Verkehrsrowdy tatsächlich wählen soll.

    Wolfratshausen hat auch noch einen ungemein schäbigen Bahnhof sowie eine Kreisklinik. Und da lese ich heute Abend. Es ist eine Charity-Lesung zum Wohle der Klinik, welche sehr wichtig ist für den ganzen Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Ich war schon mehrere Male dort, mit großen und kleinen Beschwerden, und immer froh, deswegen nicht extra nach München zu müssen. Ich bin sehr dankbar, dass es dieses Krankenhaus gibt, und finde, dass man es unterstützen muss.
    Nun ist aber ein Krankenhaus im Allgemeinen nicht unbedingt der beste Ort für untherapeutische Darbietungen. Die Lesung findet im Keller der Klinik statt, im sogenannten Casino, wo die Mitarbeiter essen. Heute gab es offenbar Rosenkohl. Oder es riecht hier immer so. Ich warte in einem fensterlosen Raum, in dem Stapelstühle und Wäschecontainer aufbewahrt werden. Zwischendurch kommt mehrfach der Mann vom Förderverein der Klinik herein und holt mit einer Sackkarre Stühle heraus.
    Leider sind keine Patienten da. Das hätte ich sehr hübsch gefunden. Ältere Herren in hinten offenen Nachthemdchen. Bauern vom Tölzer Land, mit Leistenbruch vom Schneeschippen. Aber die gehen mit so etwas gar nicht erst ins Krankenhaus.

München. Deutliche Worte sind gefragt
    2. März 2006
    Der Münchner Stadtteil Allach-Untermenzing befindet sich im Westen der Stadt, und ich war in den vierzehn Jahren, die ich in der Gegend lebe, noch nie mit Fleiß dort. Dasselbe gilt wahrscheinlich auch für meinen Bekanntenkreis. Bevor nun aber gleich wieder alle Allacher sauer sind, füge ich noch eilig hinzu, dass ich auch keine Verbindungen nach Riem und nach Moosach besitze. Ich bin eben arm an Sozialkontakten. Und Allach beschäftigt einen auch nicht so wie zum Beispiel Schwabing. Man kommt durch Allach, wenn man die Stuttgarter Autobahn verlassen hat, macht sich aber keine Gedanken darüber. Erwähnenswert für die Allacher scheint der Umstand zu sein, dass hier immerhin drei große Münchner Arbeitgeber Arbeit geben, nämlich MTU, MAN und Krauss-Maffei. Das erzählt man mir an diesem Abend gleich dreimal. Und ein älterer Herr beantwortet meine Frage nach Besonderheiten der Gegend mit dem Hinweis, dass sich in Allach eine Außenstelle des unweit gelegenen Konzentrationslagers Dachau befunden habe.

    Danach Lesung, von der nichts Aufregendes berichtet werden kann. Muss ja auch nicht sein. Lesungen sind normalerweise nicht so spektakulär wie Hochhaussprengungen oder Stangentanz.
    Vielleicht müsste ich, um an dieser Stelle über Ungeheuerliches berichten zu können, mal singen. Oder anders polarisieren. Anecken. Mit Joghurt auf Besucher zielen. Aber das mache ich nicht, weil ich erst einmal lernen muss, eine Lesung ohne einen einzigen Versprecher und Verleser durchzuhalten. Erst wenn meine Darbietung vollkommen unangreifbar ist, kann ich ernsthaft darüber

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