In meinem kleinen Land
nachdenken, ob ich mein Publikum verachten, bestrafen und quälen darf.
Viele derjenigen, die im Theater Texte vor sich hin dekonstruieren, sind nicht einmal an nüchternen Tagen dazu in der Lage, auch nur einen einzigen Satz verständlich bis in die letzte Sitzreihe zu transportieren. Und das gilt nicht nur für das Theater, sondern zunehmend auch für den deutschen Film.
Neulich sah ich einen, in dem angeblich supertolle junge deutsche Schauspieler ambitioniert spielten, den Titel habe ich schon wieder vergessen. Ich musste leider umschalten, weil ich kein einziges Wort verstanden habe. Für manche Schauspieler scheint die deutsche Sprache ausschließlich aus Konsonanten zu bestehen. Es ist furchtbar.
Was, bitte schön, ist gegen einen klitzekleinen Vokal zu sagen? Was habt ihr eigentlich dagegen, beim Sprechen euer Maul zu öffnen? Kann es sein, dass ihr ganz einfach nichts zu sagen habt? Hä?
Germering. Wie die Made im Speckgürtel
3. März 2006
Im Westen von München befinden sich auffallend viele Gemeinden, die mit «G» anfangen und mit «ing» aufhören, was Zufall sein mag, aber dazu führt, dass man diese Orte immer miteinander verwechselt, obwohl sie nicht viel gemein haben. Außer dem «G» und dem «ing». Es gibt also: Gilching, Gauting, Gräfelfing und Germering.
Germering ist vor kurzem Große Kreisstadt geworden, sie zählt über 30 000 Einwohner, deren männliche, verheiratete und mit Kindern gesegnete Vertreter wie in den anderen «G»-meinden jeden Tag nach München zur Arbeit müssen, um das Geld zu verdienen, das man braucht, um hier seinen Jägerzaun abzustottern. Vorher eine Runde mit dem Hund und die Frage, warum sich der Brunnhuber eigentlich einen Audi-Allroad leisten kann. Kann er wahrschienlich gar nicht. Alles geleast. Wenn er könnte, würde der Brunnhuber auch seinen Gartengrill leasen, das protzige Gasding.
Orte wie Germering bilden den Speckgürtel einer Großstadt. «Speckgürtel» ist ein Begriff, der ungute Assoziationen an «Gürtelrose» und «Fettleibigkeit» weckt, wenn man sich die Bewohner Germerings vorstellt. Diese erweisen sich aber weder als besonders krank noch als übergewichtig. Im Gegenteil. Die Germeringer sind ein angenehm bürgerliches kleines Völkchen, das nicht von zu großem Lokalpatriotismus geprägt zu sein scheint und gerne in Lesungen geht. Sogar bei Schnee.
Im Ort steht eine präsentable Stadthalle aus Glas und Stahl, wie man sie auch in größeren Städten gerne hätte. Dort ist auch die städtische Bibliothek untergebracht. Sehr chic. Zu Beginn der Lesung kurze Irritation, als ich merke, dass auch über mir, in der ersten Etage, Leute sitzen. Später Schneefahrt nach Hause, während ich im Radio eine Sendung zum Thema Intelligenz höre.
Wer einen IQ um die fünfundachtzig hat, gerät in die Nähe der Dummheit. Es geht aber noch weiter runter. Wer dümmer ist als dumm, ist ein Idiot (IQ vierundsiebzig), und wer selbst die niedrigste Testlatte reißt, muss damit leben, als schwachsinnig bezeichnet zu werden. Frage: Beleidigt man einen Idioten, indem man ihn schwachsinnig nennt? Oder umgekehrt: Ist es ein Lob für einen Schwachsinnigen, wenn er Idiot oder sogar Dummkopf geheißen wird?
Wolfsburg. Volkswagen soll ranklotzen
6. März 2006
Deutschland im Schnee. Ich bin morgens um halb acht zu Hause aufgebrochen. Schon die S-Bahn nach München fährt nicht. Es bewegt sich überhaupt nichts. Deutschland steht still, wartet in Watte gepackt auf Tauwetter. Der Schnee, im November ekstatisch in der Hoffnung begrüßt, wenigstens bis Weihnachten liegen zu bleiben, türmt sich bedrohlich. Nun wird er verflucht. Astbruch. Schließlich und nach ewigem Warten und immer wieder Umsteigen komme ich um sechzehn Uhr in Wolfsburg an. Ich habe den ganzen Tag damit verbracht, mir mein weißes Land anzuschauen, durch das der ICE sich müht wie ein Unimog.
Man sollte meinen, dass man Deutschland immer weniger mag, wenn man ständig durchfährt. Es ist aber das Gegenteil wahr. Ich mag dieses Land immer mehr, so wie man manche Menschen gerade wegen ihrer Unzulänglichkeiten schätzt. Es ist zu kalt hier, das steht fest. Es gibt Bürokraten, es gibt Verbrecher, Spießer. Aber wo gibt es die nicht? Sagen Sie mir ein Land, und ich ziehe sofort dorthin. Außerdem: Es mag wohl so sein, dass unser kleines Land eng ist, aber so ist das nun einmal. Wir haben immerhin neun Nachbarn, Weitläufigkeit ist unter diesen Voraussetzungen nicht zu erwarten. Außerdem ist
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