in neuen Abenteuern
Zirkuspferde?“, fragte Helene und deutete zu den Pferden hinüber, auf denen Carlotta geritten war.
„Ja, natürlich“, sagte der Mann, der offensichtlich der Stallknecht war, und setzte sich auf eine Treppenstufe.
„Wenn wir doch reiten könnten wie Carlotta!“, sagte Helene und schaute mit unschuldigem Blick zu den Pferden hinüber.
Der Mann sah sie scharf an. „Ja, sie ist eine prächtige Reiterin. Sie ist überhaupt ein prächtiges Mädchen.“
„Kennen Sie denn Carlotta schon lange?“, erkundigte sich Helene und machte wieder ihr unschuldiges Gesicht.
„Von klein auf kenne ich sie“, sagte der Mann und nickte.
„Sie hat ein wahnsinnig interessantes Leben gehabt, nicht wahr?“, meinte Helene und tat so, als wisse sie alles über Carlotta. „Ich höre so gern zu, wenn sie ihre Erlebnisse erzählt.“
Petra starrte Helene mit offenem Mund an. Das war ihr ganz neu. Sie hatte ein ungutes Gefühl. Ob Helene wieder einmal schwindelte?
„Ach, sie hat euch alles erzählt?“, sagte der Mann und sah ziemlich erstaunt aus. „Ich habe gedacht, sie sollte ...“
Er schwieg plötzlich. Helene witterte die Spur. Sie war auf dem besten Weg, etwas zu entdecken. Sie schaute den Mann mit weit geöffneten Unschuldsaugen an und lächelte.
„Wissen Sie, ich bin ihre liebste Freundin“, säuselte Helene. „Sie hat zu mir gesagt, ich soll herüberkommen und mich umsehen. Sie meinte, es würde Ihnen nichts ausmachen.“
Selbst Petra war nun klar, dass Helene log. Sie fühlte sich alles andere als wohl in ihrer Haut und ging zu einem der Käfige hinüber. Sie konnte dem Gespräch einfach nicht mehr zuhören. Sie war viel zu naiv und zu gutartig, um zu begreifen, was Helene im Schilde führte. Nie wäre es ihr in den Sinn gekommen, dass Helene nur herausfinden wollte, womit sie Carlotta schaden konnte.
Helene war erleichtert, als Petra fortging. Jetzt kam sie viel besser voran. Sie war nun sicher, dass Carlotta wirklich mit dem Zirkus in Verbindung stand, und blieb auf dieser Fährte.
„Carlotta hat das Zirkusleben sicher sehr gemocht?“, fragte Helene. Der Mann nickte mit dem Kopf.
„Sie hätte uns nicht verlassen sollen“, sagte er. „Das Mädchen weiß, wie man mit Pferden umgeht. Sie trat mit meinem Bruder auf. Ich war sehr froh, als sie gestern herkam, um ein bisschen zu reiten. Morgen ziehen wir weiter – sag ihr deshalb, wenn du zurückkommst, dass sie ganz früh kommen muss, wenn sie noch einmal herumgaloppieren will.“
Helene zitterte fast vor Aufregung. Jetzt wusste sie alles, was sie wissen wollte. Diese hässliche kleine Carlotta war ein Zirkusmädchen – ein ganz mieses, kleines Zirkusmädchen. Wie konnte Frau Theobald sie nur in Lindenhof dulden!
Helene rief Petra und die beiden Mädchen machten sich auf den Rückweg. Sie sprachen unterwegs nicht miteinander. Petra hatte noch immer ein unangenehmes Gefühl, weil Helene den Mann belogen hatte – und Helene überlegte, wie sie die große Neuigkeit am besten unter die Mädchen bringen konnte.
Am Abend suchte sie Elli im Gemeinschaftsraum. Elli saß gerade an einem Puzzle. Sie liebte schwierige Puzzles, schaffte es aber fast nie, sie richtig zusammenzusetzen. Ein paar Mädchen standen hinter Elli und neckten sie.
Die gutmütige Sadie versuchte sie zu trösten. „Mach dir nichts draus, Elli“, sagte sie. Aber Elli ärgerte sich doch. Sie raffte ihr Spiel zusammen, packte die Teile in die Schachtel zurück und verließ wütend den Raum.
Helene lief ihr nach. Sie hoffte, dass sie jetzt ein paar Worte allein mit Elli sprechen konnte. „Elli“, rief sie. „Lass die anderen, die sind sowieso nur gemein zu dir. Komm mit mir in den Garten. Draußen ist es ganz herrlich!“
„Nein, danke“, sagte Elli unfreundlich, denn sie mochte Helene nicht. „Ich habe keine Lust, mir deine üblen Verleumdungen anzuhören. Was die anderen tun, interessiert mich nicht!“
Helene wurde verlegen. Es stimmte, dass sie keine Gelegenheit ausließ, über die anderen herzuziehen – aber sie hatte nie gedacht, dass die Mädchen das so genau wussten. Es hatte keinen Zweck, jetzt mit Elli zu reden. Ich muss mir etwas anderes einfallen lassen, überlegte sie. Aber die Gelegenheit kam kurz danach von selbst.
Helene kehrte in den Gemeinschaftsraum zurück. Carlotta war auch dort. Mit ihrer fremdartig klingenden Stimme erzählte sie eine lustige Begebenheit. Die anderen Mädchen hörten ihr gespannt zu. Helene verspürte Eifersucht, als sie die Gruppe
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