in neuen Abenteuern
boshaft.
Mamsell handelte aber ganz anders. Zuerst war sie sehr zornig auf Bobby gewesen. Doch dann war ihr Humor durchgebrochen. Sie musste lachen, als sie daran dachte, wie sie mit einem Lineal im Kamin herumstocherte und ein Kätzchen suchte, das es überhaupt nicht gab. Fast gegen ihren Willen verflog ihr Ärger – und sie entschloss sich, nichts gegen Bobby zu unternehmen. Nur die Klassenarbeit würde sie schreiben lassen, das hatte sie sich fest vorgenommen.
Als Mamsell am Abend die Aufgaben überwachte und Bobby sah, konnte sie nicht der Versuchung widerstehen, ihr einen kleinen Schreck einzujagen. Sie ließ sie an ihr Pult kommen, um ihr etwas zu erklären. Am Ende machte sie eine Bemerkung, die Bobby ganz schön ins Schwitzen brachte.
„Magst du eigentlich Kekse, Bobby?“, fragte sie, und ihre großen braunen Augen schauten Bobby durchdringend an.
„Eh – eh – ja, Mamsell“, sagte Bobby nach kurzem Zögern. Was würde nun kommen?
„Das dachte ich mir“, erwiderte Mamsell und wandte sich wieder Bobbys Heft zu. Bobby wagte nicht näher nachzufragen. Aber sie war ganz sicher, dass Mamsell Bescheid wusste. Wer konnte es ihr nur verraten haben? Natürlich Helene! Diese falsche Schlange! Bobby erwartete, dass ihr Mamsell noch ein paar unangenehme Fragen stellte, aber Mamsell sprach nur über ihre Fehler.
„Jetzt kannst du dich wieder setzen“, sagte Mamsell und warf Bobby einen scharfen Blick zu. „Es interessiert dich vielleicht, dass ich Kekse nicht so gern mag wie du, ma chère Bobby!“
„Nein, Mamsell – äh, ich meine, ja, Mamsell“, stotterte die verwirrte Bobby und ging schnell auf ihren Platz zurück. Wenn Mamsell alles weiß und mich nicht bestraft, dann ist das echt fair von ihr, dachte sie.
Als in der Nacht alle Mädchen fest schliefen, setzte sich Helene im Bett auf. Sie lauschte, ob alle tief und regelmäßig atmeten, und schlüpfte hinaus. Es war sehr warm und sie zog weder Morgenrock noch Hausschuhe an. Mit nackten Füßen schlich sie aus dem Schlafsaal und ging die Treppe zum Lehrerzimmer hinunter. Es lag in vollkommenem Dunkel. Helene hatte ihre Taschenlampe dabei. Sie schaltete sie an und suchte Mamsells Schreibtisch. Da stand er – direkt vor ihr.
Jetzt kann ich mir die Fragen in Ruhe ansehen – und mir gleich die Antworten herausschreiben, dachte Helene erfreut. Glücklicherweise ist niemand aufgewacht, niemand hat etwas gemerkt. Aber Helene täuschte sich. Carlotta hatte einen sehr leichten Schlaf und wachte beim geringsten Geräusch auf, so auch diesmal. Sie hatte das Türschloss schnappen gehört und sich sofort im Bett aufgesetzt. Im Halbdunkel sah sie eine Gestalt aus dem Zimmer schlüpfen. Carlotta wunderte sich darüber.
Sie stand auf und rannte zu dem angrenzenden Schlafsaal, in dem Bobby, Petra, Doris und noch fünf andere Mädchen lagen. Sie steckte ihren Kopf durch die Tür. Alles schlief – nur Bobby war wach. Sie hatte gesehen, wie sich die Tür öffnete und eine Gestalt hereintrat. „Wer ist da?“, flüsterte Bobby.
„Ich“, sagte Carlotta. „Ich habe jemand aus unserem Schlafsaal schlüpfen sehen und ich dachte, es sei eine von euch, die uns einen Streich spielen will.“
„Nein, wir sind alle da.“ Bobby schaute sich im Saal um.
„Bist du auch sicher, dass es nicht jemand aus deinem Schlafsaal ist?“
„Daran habe ich gar nicht gedacht“, flüsterte Carlotta.
„Ich schaue schnell nach.“ Carlotta ging zurück in ihr Zimmer. Sie entdeckte sofort, dass Helenes Bett leer war. Wieder lief sie zu Bobby. „Helene ist weg“, wisperte sie. „Was hat sie nur vor? Sicher plant sie wieder irgendwas Gemeines oder was meinst du?“
„Wir werden nachschauen“, sagte Bobby und stand auf.
Zusammen schlichen die beiden durch den Korridor und stiegen die Treppe hinunter. Unten blieben sie einen Augenblick stehen.
„Im Lehrerzimmer ist Licht“, flüsterte Carlotta. „Vielleicht ist sie dort. Was hat sie nur vor?“
„Eigentlich spioniere ich nicht gern hinter jemand her“, sagte Bobby, die sich unbehaglich fühlte. Aber Carlotta hatte keine solchen Bedenken.
Leise ging sie in ihren weichen Hausschuhen zu der halb geöffneten Tür des Lehrerzimmers. Sie schaute hinein – und erkannte Helene, die aufmerksam die Liste mit den Fragen durchlas. Ihr französisches Grammatikbuch hatte sie in der Hand.
Carlotta wusste sofort, was Helene machte. Sie winkte Bobby heran. Bobby, für die ein solches Verhalten unvorstellbar war, war erschüttert.
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