In Nomine Mortis
Inquisitor — und ich meinte, eine
Spur von Spott in seiner Stimme zu vernehmen. »Misitque et decollavit
Iohannem in carcere et adlatum est caput eins in disco et datum est
puellae et tulit matri suae.
Wollen wir unterdessen den
Bader befragen? Mag sein, dass er Spuren sieht, die uns zum Mörder führen,
bevor Euer Palast und unser Kloster in Flammen aufgehen.«
Meister Philippe wandte sich
an Nicolas Garmel. Er erzählte ihm kurz, welchen Verdacht wir hegten.
Besonders betonte er, dass die Schönfrau möglicherweise nicht
durch ein gestoßenes, sondern durch ein geworfenes Messer
niedergestreckt worden war.
»Sieh dir die Schönfrau
gut an«, ermahnte er ihn schließlich. »Gut möglich,
dass es hier noch mehr zu entdecken gibt.«
In diesem Moment ließ
uns ein machtvolles, lang gestrecktes Grollen erzittern. Dann wurde der
Himmel finster — so finster, möchte ich glauben, wie er zur
letzten Stunde war, da unser Heiland noch am Kreuze leiden musste.
»Das Gewitter ist da«,
flüsterte der Prévôt und schlug ein Kreuz.
Die ersten, schweren
Regentropfen klatschten auf das Pflaster. »Eile dich!«,
ermahnte der Inquisitor den Bader. »Bevor das Wasser Spuren wegwäscht.«
»Ich muss die Tote dafür
entkleiden, Meister Philippe«, gab Garmel zu bedenken. Der dicke
Bader schwitzte stark - ob vor Anstrengung in der drückenden Hitze
oder vor Aufregung, das vermochte ich nicht zu sagen.
»Dann tue es hier, auf
der Straße. Sofort! Wir werden uns ein paar Schritte zurückziehen,
auf dass wir ihren entblößten Körper nicht in Augenschein
nehmen müssen.«
Mit diesen Worten gab der
Inquisitor uns ein Zeichen. Der Prévôt und ich folgten ihm
bis unter das Baudets-Tor, wo wir vor dem Regen ein wenig geschützt
waren. Die Uniformierten schlugen ihre Mäntel schützend über
ihre Häupter und bildeten einen Kreis um den Bader und die Tote, auf
dass kein Neugieriger ihnen zu nahe käme. Doch diese Maßnahme
war überflüssig, denn wieder grollten Donner heran. Blitze
zuckten über den schwarzen Himmel. Wie aus dem Nichts kam plötzlich
ein kühler Wind auf, der uns erschauern ließ. Dann öffneten
sich die Schleusen des Himmels. Der Regen stürzte dicht und schwer zu
Boden - so dicht, dass ich den Bader kaum noch sehen konnte und den Körper
der dahingeschiedenen Schönfrau gar nicht mehr. Er war so schwer,
dass ein Klatschen und Dröhnen einsetzte, das alle anderen Laute
erstickte. Wie verlorene Statuen standen die verhüllten Wächter
bewegungslos im Unwetter. Und wir drei Gestalten, die wir uns unter das
Tor drängten, verharrten in tiefstem Schweigen.
Wohl eine halbe Stunde mochte
vergangen sein, bevor der Bader zu uns kam. Nicolas Garmel war nass, als wäre
er in die Seine getaucht worden, doch trotz des Regens und der Kühle
glühte sein Gesicht rot. »Es ist, wie Ihr gesagt habt, Meister
Philippe«, verkündete er. »Die Schönfrau ist
erstochen worden. Es ist gut möglich, wenn auch durch nichts zu
beweisen, dass das tödliche Messer geschleudert wurde.« Der
Inquisitor nickte. »Ist die Wunde von dem gleichen Messer gerissen
worden wie bei Heinrich von Lübeck?«
Der Bader kratzte sich am
Haupt. »Das kann ich nicht sagen, Herr.
Ganz sicher war es auch
diesmal ein Messer, kein Schwert, keine Lanze, kein Spieß, keine
Axt. Doch ob es tatsächlich dieselbe Waffe war - das zu bestimmen
vermag ich nicht.«
»Hast du sonst noch
etwas gefunden?«
»Die Schönfrau
muss Hunger gelitten haben, denn sie war sehr mager. Ich entdeckte zudem
etliche Wunden und Narben von älteren Verletzungen, vor allem an den
Armen und am Rücken. Doch ich fand nichts, das ihr in den letzten
Stunden ihres Lebens beigebracht worden wäre.«
»Trug sie etwas bei
sich?«, wagte ich einzuwerfen. Nicolas Garmel schüttelte den
Kopf. »Nein, nicht einmal einen Sous. Auch keinen Schmuck. Nur die
elenden Gewänder, die sie am Leibe hatte. Nicht einmal Schuhe.«
Das verwunderte mich. Denn
die wenigen Male, die ich Jacquette gesehen hatte, war sie zwar ärmlich
gekleidet, doch hatte sie stets Holzpantinen an den Füßen
gehabt.
»Also wollte sie nicht
aus Paris fliehen«, sagte ich zu dem Inquisitor. »Denn hätte
sie dies vorgehabt, dann wäre sie doch sicherlich nicht ohne Schuhe
losgezogen.«
»Aber warum sollte sie
ohne Schuhe durch Paris gegangen sein?«,
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