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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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hast du
     diesen Menschen geschickt, als Jacquette in der Stunde der größten
     Not war? Warum ihn? Warum nicht mich? Hätte ich ihr denn nicht viel
     besser beistehen können als jener elende Färber?«
    Dann ermahnte ich mich, dass
     diese meine Gedanken die Sünde des Hochmutes in sich trugen. War ich,
     der wollüstige und lügnerische Mönch, nicht viel nichtswürdiger,
     als es jener Färber je sein könnte? War nicht Jesus Christus bei
     jenen Menschen eingekehrt, die von allen anderen verachtet wurden? War ich
     nicht wie ein Pharisäer? So ermahnte ich mich, nicht meinem Kleinmut
     und meinem düsteren, doch vorschnellen Urteil nachzugeben — und
     stattdessen Durant de Brie so aufmerksam und großherzig zuzuhören,
     wie es einem jeden Menschen geziemt.
    Meister Philippe stellte sich
     und uns nur kurz vor, hielt sich ansonsten jedoch nicht lange mit Vorreden
     auf. »Was hast du in der letzten Nacht gesehen?«, fragte er.
    »Gesehen habe ich zunächst
     nichts, Herr«, antwortete der Färber und rang verlegen seine Hände.
     Er hatte uns gebeten, Platz zu nehmen, doch niemand von uns wollte sich
     auf die schmutzigen Stühle niedersetzen. So standen wir denn alle in
     der kleinen Stube. »Ich konnte in der letzten Nacht wegen der drückenden
     Hitze nicht einschlafen«, fuhr Durant de Brie fort. »Ich lag
     am offenen Fenster, um wenigstens einen Hauch frischer Luft zu atmen. Da hörte
     ich einen schrecklichen Schrei.«
    »Wann war das?«,
     unterbrach ihn Meister Philippe. »Das kann ich nicht sagen. Es war
     noch ganz dunkel draußen. Es muss Mitternacht gewesen sein oder noch
     später.« Der Färber leckte sich mit der Zunge über
     die trockenen Lippen und sprach dann nur zögernd weiter. Man sah ihm
     an, dass er sich noch immer fürchtete, wenn er an die letzte Nacht
     dachte.   
    »Ich stand auf«,
     sagte er leise, »und trat zum Fenster. Meine Schlafstube liegt im
     Obergeschoss. Zunächst konnte ich nichts erkennen. Ich wollte mich
     schon wieder hinlegen, da brach der Mond zwischen zwei Wolken hervor. Sein
     fahles Licht fiel auf die Stadtmauer und da …« Er verstummte.
    »Da sahst du, wie die
     Schönfrau niedergestochen wurde?«, fragte der Inquisitor.
    Der Färber schüttelte
     heftig den Kopf. »Nein, nein. Ich sah die Frau am Boden liegen. Auf
     dem Rücken. Blut entströmte ihrer Brust, so viel Blut. Oh, es
     war schrecklich anzusehen!«
    »Und bist du nicht nach
     draußen geeilt, um ihr zu helfen?«, fragte ich empört.
    »Ich fürchtete
     mich«, gestand der Färber und blickte zu Boden. »Denn im
     Zwielicht an der Mauer sah ich noch jemanden …«
    »Wen?«, fragten
     Meister Philippe, der Prévôt und ich gleichzeitig. »Den
     Teufel!«, flüsterte Durant de Brie und bekreuzigte sich.
    Wir prallten zurück, als
     hätte er uns allen einen Schlag versetzt. Die Wachen, die dem Prévôt
     bis zum Eingang der Stube gefolgt waren, schlugen das Kreuz und flüsterten.
     Der Inquisitor blickte den Färber mit strenger Miene an.
    »Du willst Satan
     gesehen haben?«, fragte er. »Woran hast du ihn erkannt?«
    »Es war ein Schatten da«,
     die Stimme de Bries war so schwach geworden, dass wir ihn kaum noch
     verstehen konnten. Trotzdem fuhr mir ein kalter Schauder in den Leib,
     kaum, dass ich diese Worte vernommen hatte.                  
    »Ein Schatten«,
     fuhr er fort, »groß wie ein Mann, doch ohne Gesicht. Er
     verharrte kurz am Rand der Mauer, dann war er im Dunkel der Nacht
     verschwunden. Oh, wie zitterte und zagte ich! Ich wagte nicht, mich zu rühren,
     bis dass der Tag angebrochen war. Dann rief ich einen Sergeanten. Dieser
     Schatten muss der Engel der Finsternis gewesen sein! Ich spürte ihn,
     den kalten Hauch des Todes und auch die Schrecken der Hölle.«
    »Das heiße Eisen
     des Folterknechtes wird dir den kalten Hauch schon wieder aus den Knochen
     treiben und die Schrecken der Hölle werden dir wie das Paradies
     erscheinen, liegst du erst einmal auf der Streckbank!«, polterte da
     Ambroise de Lore los. Die Zornesröte hatte das Gesicht des Prévôt
     entflammt. »Was redest du da vom Teufel?« Dann wandte er sich
     an den Inquisitor. »Das fehlt mir noch, dass jemand vom Satan
     faselt, der durch die Straßen von Paris schleicht und Frauen
     niedersticht! So viele schädliche Gerüchte laufen schon um in
     der Stadt. Ein falsches Wort genügt und Paris wird brennen! Und da
     erzählt mir dieser stinkende Färber etwas vom schwarzen Engel
     der

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