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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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Sergeant. »Wir haben sie nicht angerührt.« Ich
     wollte die Augen schließen und konnte es doch nicht. Wie durch böse
     Magie gebannt starrte ich zu jener Stelle: Es war eine Nische in der
     Stadtmauer, kaum zwei Armlängen tief und nur wenig breiter, ein paar
     Schritte neben dem Baudets-Tor.
    Jacquette lag dort auf dem
     staubigen Boden. Die junge Schönfrau war auf dem Rücken
     ausgestreckt, beide Arme waren vom Körper weggebogen. Man hätte
     denken können, sie schliefe tief - wären ihre Augen nicht weit
     aufgerissen gewesen und hätten starr in die Unendlichkeit geblickt.
     Ihr wirres, offensichtlich seit Wochen ungewaschenes braunes Haar hatte
     sich wie ein Schleier um ihr Haupt gelegt. Ihr Körper erschien mir
     noch magerer als das letzte Mal, da ich sie gesehen hatte. Doch das mochte
     auch daran liegen, dass sich ihr Brustkorb nun nicht mehr hob und senkte.
     Ihre rechte Brust war entblößt, denn das schäbige Gewand
     war dort zerfetzt, doch erkannte ich dies erst bei genauerem Hinsehen.
     Braunrot eingetrocknetes Blut hatte sich darüber ergossen. Es war aus
     einem tiefen, breiten Stich oberhalb der Brust geflossen.
    Qui enim mortuus est
     iustificatus est apeccato. »Verzeih mir, Jacquette!«
    So sprach ich in Gedanken zu
     ihr, während der Inquisitor ihren toten Körper schweigend
     umkreiste. »Du warst die geringste aller Dirnen - und doch hätte
     ich dich freudiger beschützt als selbst den Papst. Doch ich habe
     versagt. Ich war zu schwach, um dir beizustehen in deiner Stunde der Not.
     Ich war nicht klug genug, den dunklen Schatten aufzuspüren, der dich
     belauert hat. Aber ich schwöre dir bei allen Heiligen: Ich werde
     diesen Schatten finden und er soll auf dem Scheiterhaufen brennen!«
    Während ich dies dachte,
     zuckte kein Muskel in meinem Gesicht. Meister Philippe sollte denken, dass
     ich schweigend und bewegungslos wartete, bis er seine Beobachtungen
     abgeschlossen hatte. Als der Inquisitor sich endlich wieder aufrichtete,
     trat auch der dünnere der beiden Sergeanten zu uns, den ich ebenfalls
     schon am Schauplatz jenes Mordes getroffen hatte, der mich in die düsteren
     Verwicklungen von Paris hineingezogen hatte.
    »Sie wird in der Nacht
     gestorben sein«, sagte Meister Philippe leise. Dann gab er dem neu
     hinzugetretenen Sergeanten einen Wink. »Geh und hol mir den Bader
     Nicolas Garmel! Er mag noch mehr sehen als ich es hier tue.«
    Während sich der
     Uniformierte eilig auf den Weg machte, wandte sich Meister Philippe an
     mich. »Was denkst du, Bruder Ranulf? Was ist geschehen?«
    Ich schluckte und hoffte,
     dass meine Stimme weder Trauer noch Rachedurst verriet. »Jacquette
     mag versucht haben, durch eines der kleineren Stadttore aus Paris zu
     entkommen«, antwortete ich. Je länger ich sprach, desto ruhiger
     wurde ich. Es war, als würden mir die klaren Überlegungen den
     Kopf frei machen von den Nebeln der Leidenschaft. War dies vielleicht der
     Grund, warum der Inquisitor mich um meine Meinung bat?
    »Wenn sie fliehen
     wollte, dann hat sie vielleicht jemand abgefangen und umgebracht.
     Vielleicht hat sie sich auch all die Tage im Viertel der Gerber und Färber
     versteckt gehalten. Schließlich sind die Miasmen hier ungesund, vor
     allem im Sommer mit seiner Hitze. Hier werden die Sergeanten weniger genau
     gesucht haben als andernorts. Trotzdem ist es von hier aus kein allzu
     langer Weg zu den Gassen um Notre-Dame, wo sie die Männer fand, die für
     ihre Dienste zahlten. Dann mag es Zufall sein, dass sie am Baudets-Tor
     erstochen wurde. Kein Zufall jedoch ist ihr Tod. Er zeigt uns, dass
     derjenige, der sie gesucht hat, sie am Ende auch fand.«
    Ich holte tief Luft. »Und
     wer immer der Schönfrau nach dem Leben trachtete: Es war jemand, der
     mit einem Messer zustach. Diesmal, anders als bei Heinrich von Lübeck,
     zeigen die Hände keine Wunden. Mag sein, dass die Dirne ihren Mörder
     kannte und nicht erwartete, dass dieser eine Waffe zückte. Vielleicht
     hat sie ihn für einen der Männer gehalten, denen sie zu Willen
     sein musste.
    Es mag aber auch sein, dass
     der Mörder sie überraschte und ihr keine Zeit mehr blieb, sich
     zu wehren. Zum Beispiel…« Lange zögerte ich, dann sprach
     ich meinen Verdacht aus. »Zum Beispiel, indem er mit dem Messer
     nicht zustieß - sondern es warf. Die Schlachthöfe sind nicht
     weit. Und so, wie Pierre de Grande-Rue dort das Messer nach mir
     geschleudert hat, so könnte er es auch nach der

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