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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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Finsternis!«
    Der Prévôt trat
     nahe an Durant de Brie heran, der sich vor Schreck duckte und einen
     Schritt nach hinten auswich. »Eher vermute ich, dass du selbst diese
     junge Dirne geholt hast, um deine schlaflose Nacht zu versüßen,
     und ihr danach eigenhändig ein Messer in die Brust gestoßen
     hast, als dass ich glaube, der Teufel höchstselbst habe sich hierher
     bemüht, bloß um eine elende Hure in sein finsteres Reich zu
     holen!«
    Ambroise de Lore winkte zwei
     Sergeanten zu sich. »Führt diesen Kerl ab. Wir wollen sehen, ob
     er auch im Kerker noch vom Teufel faselt!«
    Durant de Brie schrie auf,
     doch eine der beiden Wachen schlug ihm mit der Faust ins Gesicht, dass ihm
     Blut aus seiner aufgeplatzten Oberlippe tropfte. Dann wimmerte er nur noch
     und ließ sich aus seinem Haus zerren.
    Mit einem Nicken
     verabschiedete sich der Prévôt von uns. »Harte Zeiten
     verlangen nach harten Maßnahmen!«, rief er, dann folgte er den
     Sergeanten und seinem Gefangenen.
    Ich war sprachlos vor Empörung.
     Der Färber mochte ein wenig vertrauenswürdiger Mann sein, doch
     diese Ungerechtigkeit, glaubte ich, hatte er nicht verdient.
    »Wollt Ihr das wirklich
     zulassen?«, fragte ich Meister Philippe, als der Prévôt
     außer Hörweite war und wir noch in der Stube des Färbers
     standen.
    Der Inquisitor blickte mich
     an. Plötzlich sah er sehr müde aus. »Bruder Ranulf«,
     antwortete er. »Ich glaube so wenig wie du, dass der elende Färber
     etwas mit dieser Untat zu tun hat. Oder dass er uns unter der Folter noch
     mehr sagen könnte, als er uns jetzt bereits berichtet hat.
    Doch in einem gebe ich dem Prévôt,
     wenn auch höchst widerwillig, Recht: Ich glaube nicht, dass Satan
     selbst die arme Schönfrau geholt hat — wiewohl ich nicht
     ausschließen mag, dass sie nun in seinem Reich schmachtet. Wenn
     Ambroise de Lore den Färber hätte gehen lassen, dann hätte
     dieser überall herumerzählt, er habe den Teufel gesehen. Das ist
     nun, da jedermann sich vor der Seuche und vor bösen Omen fürchtet,
     geradezu ein Verbrechen. Fast könnte man meinen, jeder, der so etwas
     tut, könnte auch gleich zur Revolte gegen den Prévôt und
     jede Obrigkeit aufrufen.
    Bedenke, wie viele Menschen
     wohl zu Schaden kämen, würde sich das Volk von Paris tatsächlich
     erheben und in blinder Wut auf jeden losgehen, in dem es den Schuldigen an
     seiner erbärmlichen Lage zu erblicken glaubt!«
    Ich dachte an den jungen
     Juden, der auf der Place Maubert beinahe erschlagen worden wäre. Und
     ich dachte an Leas Worte und ihre Angst. Laut sagte ich: »Wir opfern
     also einen Menschen, obwohl wir wissen, dass er unschuldig ist. Um so das
     Leben vieler anderer Unschuldiger zu retten.« Der Inquisitor nickte.
     »So ist es.«
    Dann legte er mir die Hand
     auf die Schulter. »Doch es mag sein, dass die Wut des Prévôt
     verraucht, bis er zu seinem Palast zurückgekehrt ist. Dann wird er
     den armen Färber zwar eine Zeit lang einsperren, damit dieser seine
     Geschichte vom Teufel nicht weitererzählen kann, doch er wird kaum
     einen Folterknecht mit seinem Gefangenen beschäftigen.«
    *
    Schweigend legten wir den Weg
     zum Kloster zurück, denn es gab am Baudets-Tor nichts mehr für
     uns zu tun. Das Gewitter hatte keine Erleichterung gebracht, im Gegenteil:
     Die Luft war heiß und drückend wie zuvor. Vom regenglänzenden
     Straßenpflaster und aus den schlammigen Gassen stiegen weißliche
     Nebel auf, die schwer über die Haut meines Gesichts strichen wie die
     erschlafften Blätter verwelkter Blumen. Das Atmen wurde zur Qual,
     jede Bewegung trieb mir den Schweiß auf die Stirn. Mücken,
     Schmeißfliegen und allerlei anderes Getier schwirrte durch die
     schwere Luft - stets darauf lauernd, uns Menschen das Blut auszusaugen.
    Und doch war ich dankbar für
     die bedrückenden Nebel, denn eine ungewöhnliche Stille hatte
     sich über Paris gelegt. Es waren kaum Menschen auf den Straßen
     zu sehen, da jeder, der konnte, in dieser Hitze im Innern eines kühlen
     Hauses ruhte. Die feuchten Schleier verbargen zudem mein Gesicht. So
     konnte ich mich nicht durch eine unbedachte Regung verraten.
    Trauer nagte in mir wie eine
     schreckliche Krankheit. Immer wieder glaubte ich, in den Nebeln das
     Gesicht von Jacquette aufleuchten zu sehen. Ich hätte gerne eine
     Messe zu ihrem Andenken lesen lassen, doch selbst dies war mir verwehrt.
     Weder hatte ich Geld, um eine Messe — und sei es eine stumme —
     in

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