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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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Auftrag zu geben, noch hätte ich Meister Philippe oder dem Prior
     zu enthüllen gewagt, warum ich überhaupt für eine sündige
     Schönfrau etwas Derartiges erbeten wollte.
    Ich war der einzige Mensch
     auf GOTTES Welt, der um Jacquette trauerte. Und da selbst ich nicht einmal
     hoffen durfte, ihrer Beerdigung beizuwohnen, wusste ich nicht, wo ihr Grab
     zu finden sein mochte. Nichts mehr würde an die junge, unglückliche
     Frau erinnern, nur die Bilder in meinem Herzen.
    Dann schweiften meine
     Gedanken zu den beiden anderen Frauen, die das Schicksal hier in Paris mit
     meinem Lebensweg verwoben hatte. Würde ich wenigstens Klara und Lea
     schützen können? Oder — ich wagte kaum, mir dies
     einzugestehen — war ich vielleicht gar derjenige, der ihnen das Unglück
     brachte? Würde Jacquette noch leben, hätte sie sich mir nicht
     offenbart? Bedrohten die Geheimnisse, die mir die Reedersgattin und die
     Tochter des Geldwechslers anvertraut hatten, nun auch deren Leben? Was
     sollte ich bloß tun, um ihnen beizustehen?
    Verzweiflung wollte mich
     übermannen. Ich fühlte mich hilflos in einem Gespinst aus düsteren
     Geheimnissen und unlösbaren Rätseln. Wusste ich mehr über
     die terra perioeci als noch vor einigen Tagen? Nein.
     Hatte ich Pierre de Grande-Rue gestellt? Nein. Wusste ich, ob Nechenja ben
     Isaak etwas mit dem Vaganten zu schaffen hatte? Nein. Wusste ich, wer
     jener Schatten war, vor dem sich Jacquette so sehr fürchtete und dem
     sie schließlich erlag? Nein.
    Ein Novize war ich in der
     heilbringenden, doch ungemein verwirrenden Arbeit der Inquisition. Es war
     mir nur ein schwacher Trost, dass auch ein Meister wie Philippe de
     Touloubre diese Geheimnisse bisher nicht entschleiern konnte.
    Geheimnisse, zu denen sich
     mir nun ein neues gesellte: das des Baders Nicolas Garmel. Hatte ich mich
     nur getäuscht, als ich sein Gesicht für einen ungestört
     geglaubten Moment beobachtete? Oder hatte er tatsächlich etwas
     verschwiegen?
    Ich fragte mich, was er an
     der toten Schönfrau gesehen hatte, das ich nicht wahrgenommen hatte.

 
    13
    DIE BEUTE DES VAGANTEN  
    Die nächsten sieben Tage
     wurden mir zur Qual: sieben Tage, in denen ich jeden Morgen mit Meister
     Philippe zum Viertel rund um die Schlachthöfe ging, nun stets
     begleitet von einem Sergeanten. Wir suchten nach Pierre de Grande-Rue und
     befragten bis in die Stunden der Dunkelheit wohl drei Dutzend und mehr
     Schlachter, Träger, Färber und liederliche Frauenzimmer jeden
     Tag. Manche erinnerten sich an den Vaganten - und fast schien mir, als hätten
     sie alle Angst vor ihm -, doch niemand hatte ihn gesehen, seit er uns
     entflohen war.
    Meister Philippe ließ
     auch elende und ehrlose Gestalten zu sich kommen, die mir zunächst
     eines Dominikaners und erst recht eines Inquisitors unwürdig
     schienen: Bettler, fahrende Messerschleifer, Lumpenhändler, ja
     Dungsammler und Leichenträger und sogar einen Henker. Viele von ihnen
     schien er, zu meinem nicht geringen Erstaunen, gut zu kennen. Er fand
     freundliche Worte für jeden. Dann schickte er sie wieder fort, zurück
     zu den Orten, wo sie ihren wenig erbaulichen Gewerben nachgingen. Jedem
     gab er den Auftrag mit: »Suche nach Pierre de Grande-Rue! Wenn du
     ihn siehst, so eile zum Dominikanerkloster und melde dich bei mir! Wie spät
     die Stunde auch sein möge, ja selbst während einer Messe —
     zögere nicht einen Augenblick, dich mir zu offenbaren! GOTTES Segen
     und mein Wohlwollen werden dir sicher sein.«   
    So entließ Meister
     Philippe die Elenden und Schmutzigen in die Gossen von Paris. Und langsam
     begriff ich, dass sie, auf die niemand ein Auge warf, ihrerseits die Augen
     der Inquisition waren. Ich bewunderte Meister Philippe dafür nur noch
     umso mehr - und fürchtete ihn doch auch zugleich. Denn ich erinnerte
     mich schamhaft meiner Abenteuer in der Stadt und fragte mich nun des
     Öfteren, ob nicht auch ich den tausend Augen der Inquisition schon
     aufgefallen war. Doch blieben diese Momente der Unsicherheit selten, denn
     zumeist trieb mich die Unrast eines gefangenen Tieres. Ich wollte nach dem
     Land der Periöken forschen — und durfte es doch nicht. Lea
     hatte sich nicht einmal vor dem Kloster blicken lassen. Vielleicht hatte
     sie noch nichts entdeckt. Gut möglich aber auch, dass sie gesehen
     hatte, wie ich täglich mit dem Inquisitor auf die Straße trat.
     Da mochte sie sich gefürchtet haben und hielt sich verborgen, um
     nicht

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