In Nomine Mortis
etwas geben, das
ihn an die Seine gelockt hat. Einen Mann wie ihn, den locken weder
Seelenheil noch Ruhm — den lockt nur das Geld. Ich muss an die Münzen
denken, die Heinrich von Lübeck am Tage seines Todes bei sich
getragen hat…« Seine Stimme verlor sich in einem
gedankenvollen Murmeln, während wir durch die Stadt eilten.
Während der Geist von
Meister Philippe um den toten Mitbruder und den rätselhaften Reeder
kreiste, hatte ich nur Klara Helmstede im Sinn.
Als wir das Kloster
erreichten, erwartete uns dort bereits das nächste Problem: Ein
zerknirscht dreinblickender Sergeant de la Douzaine — allerdings
keiner der beiden Kerle, die wir am Ort jenes schändlichen
Verbrechens angetroffen hatten — war vom Portarius in den kargen
Raum neben der Kirche geführt worden, in dem sich Gäste
aufhalten durften. Er verbeugte sich, stammelte etwas Unverständliches
und rückte erst nach einigem Hin und Her damit heraus, dass sich
Jacquette nicht mehr im Gewahrsam der Sergeanten befand. »Sie ist
geflohen?«, rief der Inquisitor ungläubig. Der Sergeant, er war
noch sehr jung, wurde rot. »Jacquette La Pigeonette ist eine Dirne«,
stammelte der Wächter, »eine sehr raffinierte Dirne und
vielleicht eine Hexe zudem. Sie hat die beiden Sergeanten, die sie in den
Kerker fuhren sollten, mit einem magischen Spruch belegt, sodass sie, wie
die beiden später aussagten, plötzlich nichts mehr sahen, so als
gingen sie durch einen dichten Nebel. Als sich ihre Augen endlich wieder
aufklarten, da war die Schönfrau fort.«
»Hinfort auch mit dir«,
grollte der Inquisitor und schickte den Sergeanten mit einer verärgerten
Handbewegung hinaus, ohne ihm den Segen zu erteilen.
»Welcher Art die
Hexerei dieser Schönfrau ist, das kann ich mir denken«, sagte
er, nachdem der Wächter gegangen war. Ich bekreuzigte mich
erschrocken, doch Meister Philippe lachte nur grimmig.
»Dazu bedurfte es
wahrscheinlich keiner besonderen satanischen Künste, sondern nur
jener Sünde der Verführung, die jedes Weib beherrscht. Jacquette
wird den Wächtern ihre Dienste angeboten haben. Entweder ließen
die Sergeanten die Dirne dann freiwillig laufen oder sie ist geflohen, während
den beiden Wächtern noch die Hosen um die Fußknöchel
hingen.«
Ich blickte ihn empört
an, doch der Inquisitor atmete nur tief durch, murmelte ein kurzes Gebet
und bezwang so seinen aufbrausenden Zorn. »Verzeih, mein junger
Bruder«, sagte er dann. »Ich habe einen Moment nicht mehr
daran gedacht, dass man dergleichen nicht in unseren frommen Studien
lernt. Doch ich habe Ähnliches schon viel zu häufig sehen müssen,
als dass mich dies noch überraschen würde. Den Zorn jedoch, den
kann ich selbst nach all den Jahren kaum bemeistern. Welche Kräfte
hat doch das Weib!«
Fürwahr, da sprach mir
der Inquisitor aus der Seele. Denn tief in mir, da jauchzte eine leise, sündige
Stimme über den Streich der Schönfrau und freute sich, dass
Jacquette nicht im Kerker schmachten musste. In meinem Geiste beschwor ich
ihr Bild herauf, wie sie uns, sich aus dem Schlamm der Straße
erhebend, im Schatten von Notre-Dame gegenübertrat. Ihre Züge
vermischten sich mit denen von Klara Helmstede und meine Seele brannte in
den Feuern von Wollust und Scham.
In jener Nacht gedachte ich
der Mahnungen von Meister Philippe und bezwang mein Bedürfnis, mich
wieder zum Altar zu schleichen und dort in Demut um die Vergebung meiner Sünden
zu flehen. Stattdessen legte ich mich gehorsam auf meine Pritsche, doch
der Schlaf wollte auch diesmal nicht über mich kommen. In meiner
Seele tanzten Heinrich von Lübeck mit seinen toten Augen, ein
gesichtsloser, sterbender Kapitän, ein verängstigter Reeder und
ein Geisterschiff einen wilden, satanischen Reigen um einen riesigen Kopf,
der, einer Chimäre gleich, mal die Züge einer sündigen Schönfrau
annahm und mal die einer respektablen Lübecker Bürgerin. Erst
nach den Nocturnes um Mitternacht, zu denen ich mich, schwankend vor Erschöpfung,
wie ein Kranker geschleppt hatte, fiel ich endlich in einen tiefen
Schlummer — doch sollte dieser viel zu kurz sein.
Ich wachte auf, lange vor dem
Morgengrauen. Es mochte die letzte Stunde der Nacht sein, bald würde
ein Bruder zu den Laudes läuten. Doch noch war es zu früh, um in
die Kirche zu gehen. Ich lag, gerädert, als wäre ich von den
Folterern der Inquisition
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