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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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Klara Helmstede hätte mir in
     die Augen sehen können, wäre sie nicht in den Raum getreten,
     ohne mir auch nur einen Blick zu gönnen. Sie trug hochgebundene
     Kleider nach der Mode jener Tage, eine spitzengeschmückte Haube und
     einen hellen Schleier. Rock, Mieder und Oberkleid, alles kunstvoll geschnürt,
     betonten ihre üppigen Formen, unter ihrer Haube quoll ungebärdiges
     blondes Haar in langen Strähnen hervor und ihr Schleier war so fein,
     dass er ihre hellen, blitzenden blauen Augen, ihre kleine Nase und ihre
     sinnlichen Lippen nicht sittsam verbarg, sondern schmeichelnd umhüllte.
     Ich blickte erschrocken zu Boden und hoffte, mein flammendes Gesicht vor
     den anderen verbergen zu können.
    »Seid gegrüßt,
     ihr Brüder, und willkommen in unserem bescheidenen Haus«,
     sprach Klara Helmstede und blickte Meister Philippe für einen Moment
     — und ich möchte schwören: herausfordernd - an, bevor sie
     zunächst vor dem Inquisitor, dann vor ihrem Gatten einen tiefen
     Knicks vollführte.
    Ihre Stimme klang klar wie
     Quellwasser in den Bergen und ich hatte für einen Augenblick die
     Vision, wie sie in einer Kirche sang zum Lobe des HERRN. Ihre Bewegungen,
     als sie uns formvollendet grüßte, waren fließend und
     grazil wie die einer Katze. Und ich, ein Sünder und schwach im
     Fleische, konnte meinen Blick nicht länger am Boden halten, sah auf
     und blickte - oh, welch sündiger und wonniglicher Moment - für
     die Dauer eines Wimpernschlages in Klara Helmstedes Kleid, das am Hals
     ausgeschnitten war und mir, da sie knickste, die Ansätze zweier
     runder Hügel feilbot — zweier Hügel, die kein Mönch,
     und wanderte er auch noch so weit, je zu Gesicht bekommen darf.
    Ich schauderte und blickte
     wieder zu Boden. Heiß war mir, wie im Fieber, doch zugleich auch
     kalt, als seien meine Hände in Eiswasser getaucht.
    Meister Philippe deutete eine
     Verbeugung an und segnete Klara Helmstede. Bewundernd stellte ich fest,
     dass sein Gesicht unbewegt war und kein Zittern in seiner Stimme erklang.
     Höflich stellte er sich und mich und unser Anliegen vor, höflich
     fragte er, ob die Reedersgattin vielleicht etwas wisse, an das der Herr
     Reeder zufällig und in leicht entschuldbarer Weise nicht gedacht
     hatte, und höflich lächelte er, als ihm Klara Helmstede in wohl
     gesetzten Worten ihre Trauer über den Tod unseres Mitbruders ausdrückte
     und im Übrigen bedauernd verneinte, irgendetwas Gewichtiges beitragen
     zu können. »Wenn dies so ist, dann werden wir uns jetzt zurückziehen
     und Euch Euren Pflichten überlassen«, murmelte Meister
     Philippe. »Wir werden wieder von uns hören lassen.« Er
     nickte, segnete huldvoll die demütig gesenkten Köpfe der beiden
     Eheleute und schritt aus dem Gemach.
    Doch ich, der ich hinter ihm
     herstolperte - begierig, diesen Ort rasch zu verlassen, da die Sünde
     so mächtig an mir zog —, beging den Fehler, mich im Türrahmen
     noch einmal umzudrehen. Richard Helmstede stand noch immer da, den Kopf
     tief gesenkt, doch seine Gattin hatte sich schon wieder aufgerichtet
     — und nun blickte sie mich an.   
    Und ich, ich versank in
     diesen klaren blauen Augen wie in einem bodenlosen Ozean. Klara Helmstede
     sprach kein Wort, machte keine Geste, und doch verstrickte sie mich in
     jenem Augenblick in ein Netz, aus dem ich nicht mehr entkommen sollte.
     Kurz bevor ich meinen verwirrten Blick endlich von ihrem Gesicht fortreißen
     konnte, da schenkte sie mir ein Lächeln, das freundlich war und spöttisch
     zugleich.
    Zitternd taumelte ich hinter
     Meister Philippe ins Freie, der mit energischen Schritten den Rückweg
     antrat. Er folgte den Straßen, die wir gekommen waren, und achtete
     weder auf meine Verwirrung noch auf das Gedränge zwischen den Häusern.                  
    »Der Reeder verbirgt
     etwas vor uns«, murmelte der Inquisitor und schlug die Hände
     zusammen, bevor er sich besann, wie unschicklich diese Geste war, und die
     Arme vor der Brust verschränkte, wie ein guter Mönch es tun
     sollte.
    »Mag sein, dass er
     wirklich nichts über das Schicksal seines Bruders und seiner Kogge
     weiß. Doch ich glaube ihm nicht, dass er ebenso ahnungslos ist, was
     den Zweck seiner Fahrt nach Paris betrifft. Er wäre kein
     erfolgreicher Reeder geworden, wäre er wahrhaft so leichtgläubig,
     nur auf die Versprechungen Heinrichs von Lübeck hin in diese Stadt zu
     segeln. Und warum sollte er hier ausharren? Nein, es muss

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