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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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wie ich später erfahren sollte,
     Nicolas d'Orgemont, der Dekan der zwölf Domherren.
    Für einen Moment glaubte
     ich schon, den Geistlichen vor mir zu sehen, der seine Gelüste an
     Jacquette ausgelebt hatte - passte ihre Beschreibung denn nicht perfekt
     auf ihn? Doch als ich die unchristliche Wut, die sich meiner Seele bemächtigen
     wollte — und die meinen eigenen sündigen Gedanken mindestens
     genauso entsprang wie gerechtfertigtem Zorn —, bemeistert hatte, da
     erkannte ich, dass elf der zwölf Domherren feist und rotgesichtig
     waren. Nur einer war hager, hochgewachsen und schon im Greisenalter. Ihm
     allein traute ich jene nächtliche Unzucht nicht zu.   
    Der Inquisitor nahm Nicolas
     d'Orgemont beiseite und flüsterte ein paar Worte mit ihm. Dann zogen
     sich die beiden, zu meiner großen Enttäuschung, in eine Nische
     neben einer Kapelle im Chorumgang zurück. Ich erkannte die Absicht
     von Meister Philippe. Er wollte jeden Domherrn einzeln befragen —
     doch so, dass es einfachen Gläubigen, die auch jetzt noch in großer
     Zahl im Kirchenschiff wandelten, beteten, vor den Beichtstühlen
     anstanden oder Kerzen entzündeten, nicht weiter auffiel.                  
    Und mich, den jungen Mönch
     aus der Fremde, ließ er bei diesen delikaten Befragungen diskret außer
     Hörweite warten. Deshalb sagte ich mir denn, dass Demut eine der schönsten
     Tugenden eines Mönches sei — und ich mich nun in ihr üben
     durfte.
    So kniete ich mich vor den
     großen Altar und verharrte im Gebet, während der Inquisitor
     einen Domherrn nach dem anderen in abgelegenen Winkeln der Kathedrale zum
     brüderlichen Gespräch bat. Doch mein Flehen zu GOTT kam nicht
     aus tiefster Seele. Zwar murmelte ich die Bußformeln, doch noch während
     ich dies tat, schweifte mein Blick ab vom Altar. Ich betrachtete die reich
     verzierte Chorschranke - dort sah ich fein gearbeitete Skulpturen: Im
     Mittelpunkt stand der Engel, der Maria verkündete, dass sie den
     Heiland empfangen habe. Et ingressus angelus ad eam dixit have gratia plena Dominus tecum
     benedicta tu in mulieribus.
    Die Heilige Mutter GOTTES
     hatte der Künstler allerliebst dargestellt. Sie war eine junge
     Prinzessin, ihr schlanker Körper umhüllt von einem wallenden
     Gewand, ihre langen wunderschönen Haare kunstvoll geflochten, der
     Blick demutsvoll gesenkt, das anmutige Gesicht fein und makellos.
    Doch Frömmigkeit erfüllte
     mich nicht bei diesem Anblick, im Gegenteil. Oh, ich schaudere selbst
     jetzt noch, nach so vielen Jahren und so vielen Sünden, dies dem
     Pergament anzuvertrauen, doch ich muss gestehen, dass mir an jenem Tag in
     Notre-Dame der Anblick der Heiligen Maria ganz andere Dinge ins Gedächtnis
     rief. So inbrünstig ich auch meine Gebete murmelte, so hoffnungslos
     waren diese Exerzitien, denn unaufhaltsam stieg das Bild von Jacquette in
     meinem Geiste auf. Ich blickte auf das liebevolle Gesicht der Mutter
     GOTTES - und sah doch nur die Schmutz starrenden, müden, verängstigten
     Züge der Schönfrau. Ich blickte auf das kostbare Gewand der
     Himmelskönigin — und sah doch nur die Lumpen der Dirne. Und als
     ich an diese Lumpen dachte, kam mein Geist wie durch einen unentrinnbaren
     Zwang gelenkt auf den Leib, den jene Lumpen wohl verdecken mochten. Die
     Hitze lief durch meinen Körper wie ein Fieber und ich schämte
     mich, denn ich wusste sehr wohl, dass dies keine Krankheit des Körpers
     war, sondern eine der Seele. Ich zwang mich zum Aufstehen, verbeugte mich
     vor dem Abbild des gekreuzigten Heilands und riss meinen Blick los von
     jener Szene in der Chorschranke. Doch kaum hatte ich mich umgedreht, da
     erblickte ich zufällig in einer der Bänke eine reich gekleidete
     Bürgerin, völlig in ihr Gebet versunken. Sie war eine würdige
     Matrone mit ergrautem Haar und einem machtvollen Körper, doch sie
     trug einen Schleier über dem Haupt, ganz ähnlich dem, den ich
     erst vor kurzer Zeit erblickt hatte.
    So wurden meine Gedanken plötzlich
     auf Klara Helmstede und auf ihr Lächeln gelenkt. Und meine Seele
     entkam auch jetzt nicht der Sünde der Wollust. Oh, wie ich mich schämte!
     Ich weiß nicht, wie weit meine verderbten Fantasien mich noch
     getragen hätten, doch an jenem Tag war es der HERR selbst, der mich
     rettete, indem er mir einen vom heiligen Wahnsinn Geschlagenen schickte.
    »Das Ende der Welt ist
     nah! Bereut, solange ihr noch Reue zeigen könnt!«, rief plötzlich
     ein Mann, der

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