In sanguine veritas - Die Wahrheit liegt im Blut (German Edition)
Kunnig, die evangelische Lehrerin, packte gerade ihre Sachen zusammen und winkte allen zum Abschied. Ich sah ihr nach, bis sie durch die Tür verschwand. Mein Blick blieb dort kleben und bevor ich seinen Namen aussprechen konnte, stand er im Türrahmen.
W ie seine Schwester, so hatten auch ihn mindestens zwei bis drei Tomaten getroffen – oder aber er hatte Großstädter gemetzelt und es war Blut, was an ihm klebte. Sein Blick traf meinen und erstaunt stellte ich fest, dass es mir vollkommen egal wäre, wenn er Letzteres getan hätte.
„Anastasija spric ht draußen mit Frau Piepenbrock“, sagte er leise, als er sich einen Herzschlag später auf seinen Platz neben mir setzte und mir ein zaghaftes Engelslächeln schenkte.
Ich erschrak fast zu Tode über sein plötzliches Erscheinen.
„Guten Morgen“, stammelte ich und errötete zu seiner Belustigung.
„Guten Morgen, Miriam“, gab er lächelnd zurück. Alle im Klassenraum starrten uns gebannt an und wir versteiften uns auf unseren Plätzen. Unsere Klassenlehrerin trat mit Anastasija ein, der Schuldirektor Herr Zimmermann folgte ihnen auf Schritt und Tritt. Er ergriff auch zuerst das Wort.
„Guten Morgen. Ihr habt sicherlich mitbekommen, was gestern gesch ehen ist und was seit ein paar Tagen draußen vor sich geht. Ironischerweise stehen da draußen nur Leute, die weder mit Anastasija noch mit ihrem Bruder in einer Klasse sind.“
Ich war mir sicher, dass keiner von uns oder der Parallelklasse vor dem Schultor stand. Die, die was gegen Vampire hatten, hatten zugleich eine Heidenangst vor ihnen. Joshua Ebers würde sicher am liebsten bei den Demonstranten sein, aber er machte sich wohl Sorgen, dass Elias ihn dafür umbrachte.
„Ich finde es mehr als nur traurig , wie hier mit Mitschülern umgegangen wird. Die beiden Vampire haben keinem etwas getan und werden grundlos angeprangert. Da Anastasija sich nicht mehr sicher und wohl fühlt, hat sie mich gebeten, wenigstens mit ihrem Bruder in einer Klasse zu sein. Am Anfang hatten wir uns bewusst dagegen entschieden, da wir euch nicht gleich zwei Vampire auf einmal zumuten wollten. Nun liegt die Sache aber anders als erwartet. Nicht ihr habt Angst vor den Vampiren, sondern sie vor euch! Sie müssen sich sogar um ihre Gesundheit fürchten. Jedenfalls wird Anastasija nun ebenfalls in eure Klasse gehen, damit sie wenigstens ihren Bruder hat. Ich hoffe, dass sich alles bis zum Ende des Halbjahres legt. Seid bitte nett zu den beiden.“ So schnell, wie er gekommen war, war der Direktor auch wieder weg. Er hatte wegen gestern bestimmt eine Menge Ärger am Hals.
„Setz dich am besten gleich zu deinem Bruder“, sagte Frau Piepenbrock in einem mütterlichen Ton und die Vampirin folgte der Aufforderung sichtlich gern. Katja wurde schon wieder ihres Platzes beraubt, aber sie hatte schon während der Ansprache von Herrn Zimmermann ihre Zelte abgebrochen. Arme Katja, jetzt saß sie Frau Piepenbrock fast auf dem Schoß.
Anastasija strahlte Elias an und die beiden legten wieder ihre Handflächen aufeinander. Ein sehr seltsames Begrüßungsritual, wie ich fand. Dann nahm sie Elias in den Arm und lachte mich über seine Schulter hinweg an.
„Ich freue mich , dass du jetzt auch hier bist.“
„Ich auch“ , sagte sie und drehte sich dann zur Tafel um. Draußen entfesselten die Elemente endlich das, was sie schon den ganzen Morgen angedroht hatten. Es begann zu schütten und ein grollender Donner kündigte das sich nähernde Gewitter an. Solange ich drinnen bin, liebe ich Sommergewitter. Sie wirken so reinigend.
Unsere Lehrerin sprach über die Klassenfahrt, die im Herbst stattfinden sollte. Ob Elias und Anastasija auch mitkamen?
Anscheinend konnte die gute Frau Piepenbrock Gedanken lesen, denn sie wandte sich an die beiden Blutsauger. Anastasija erklärte ihr, dass sie beide dabei wären – wenn die Klasse damit einverstanden war.
„Ach Anastasija , das ist nichts, worüber wir abstimmen werden. Immerhin ist eine Klassenfahrt Schulzeit!“
Frau Piepenbrock kramte in ihrer Tasche und zog Prospekte von Jugendherbergen heraus, um sie uns durchzureichen. Immer wenn was Spannendes durchgereicht wurde, fing sie an der anderen Tischseite des Us an. Meine Augen verfolgten die Zettel, aber mein Kopf war voll und ganz damit beschäftigt, Elias’ Blicke von der Seite zu ignorieren. Wie sollte man unter diesen Umständen so tun, als würde einen der Unterricht interessieren?
Unsere Lehrerin hatte den Overheadprojektor
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