In sanguine veritas - Die Wahrheit liegt im Blut (German Edition)
Demonstranten lauter. W ar darunter nicht Anastasijas Stimme gewesen? Ich ließ meine Augen über den Schulhof schweifen, aber es dauerte etwas, bis meine schwachen Menschenaugen sie an dem Eingangstor inmitten der Demonstranten ausmachten. Ich lief sofort los und kam vollkommen außer Puste am Ort des Geschehens an.
Die Vampirin war umzingelt von Vampirgegnern und sah sich panisch um. An ihren Sachen klebte eine matschige Tomate, zumindest war es mal eine gewesen, und in ihrem Haar hing noch eine Bananenschale. Die Menschen beschimpften sie auf das Übelste, zum Teil mit Worten, bei denen meine Mutter mich ins Bad gezogen hätte, um mir meinen Mund auszuwaschen.
Einmal mehr kämpfte ich mich durch die Demonstranten und gab einigen Leuten einen kräftigen Schubs.
„Lasst mich , verdammt noch mal, durch!“, schrie ich und trat absichtlich auf jeden Fuß, den ich erwischte.
Endlich war ich in dem Bereich gelandet, den die Meute als Sicherheitsabstand zum Vampir hielt. Anastasijas Fangzähne waren ausgefahren, sie knurrte und fauchte jeden um sich herum an. Ihre Augen funkelten böse, aber auch hilflos. Ich wusste, dass es auch für mich gefährlich sein würde, wenn ich mich ihr in diesem Zustand näherte, aber ich vertraute auf ihre Selbstbeherrschung.
„Geh da weg , Mädchen! Sie wird dich angreifen!“, rief mir jemand durch das ganze Getümmel zu.
Die Menge verstummte und starrte ängstlich auf mich. Ich konzentrierte mich auf Anastasija, die mich ebenfalls längst bemerkt hatte. Sie fauchte mich an, aber ich sah ihr tief in die Augen und versuchte wie auf einen Hund auf sie einzureden.
„Ganz ruhig , Anastasija, ich bin ja jetzt da“, flüsterte ich. Obwohl ich so leise sprach, wusste ich, dass sie mich hörte.
Die Vampi rin konzentrierte sich voll und ganz auf mich und ich gab mir Mühe, keine Angst zu zeigen. Ich näherte mich ihr Schritt für Schritt. Nur wenige Zentimeter trennten uns noch.
„Anastasija, du machst mir Angst“, hauchte ich.
Sie schüttelte ihren Kopf und wirkte jetzt nur noch halb so bedrohlich.
„Komm her“, sagte ich für alle hörbar – nicht dass jemand dachte, sie fällt mich an.
Die Vampirin folgte meiner Aufforderung und ich drückte sie fest an mich. Ich fühlte, wie ihre Brust durch das Knurren vibrierte. Totenstille herrschte um uns herum und Anastasija entspannte sich in meinen Armen. Vampire waren doch menschlicher, als sie zu gaben.
„Wo ist dein Bruder? “, flüsterte ich in ihr Ohr.
„Er kommt heute erst zur zweiten Stunde“, antwortete sie zischend durch ihre langen Fangzähne.
„Häh? Wi r haben Religion in der ersten.“
„Wir dürfen am Relig ionsunterricht nicht teilnehmen“, sagte sie zornig.
„Dürf t ihr nicht oder wollt nicht?“
„Wir dürfen nich t.“
„S eid ihr nicht gläubig?“, versuchte ich sie weiter abzulenken und zum Sprechen zu bringen. Es gelang, ihr Knurren wurde immer leiser.
„Wir sind Christen“ , sagte sie und ich musste zugeben, dass mich das etwas schockte. Sie löste sich leicht aus meiner Umarmung, um mir ins Gesicht zu schauen. Ich nahm meine rechte Hand hoch und streichelte ihr über die Wange. „Ich kenne Vampire, die mit eigenen Augen und Ohren den Messias predigen sahen und hörten.“
Zuerst wollte ich ein langes „Wow“ von mir geben, aber ich riss mich zusammen. „Tja schade, dass wir davon nicht im Religionsunterricht oder in der Messe profitieren können“, brummte ich vor mich hin. „Wir sollten jetzt reingehen.“
W ie auf Kommando ertönte die Schulklingel. Diesmal musste ich mich nicht durch die Menschenmasse kämpfen, denn mit der Vampirin an meiner Seite wichen uns die Leute freiwillig aus. Eva und Aisha standen staunend am Straßenrand. Ich winkte sie herüber, damit sie mir halfen, Anastasija Geleitschutz zu geben.
„ Dein Bruder kommt gleich, oder?“, drängte ich auf sie ein und hoffte, dass nicht zu viel Sehnsucht in dem Satz mitschwang.
Evas grüne Augen funkelten mich schelmisch an, am liebsten hätte sie wohl laut losgeträllert: Miri ist verliebt, Miri ist verliebt! Gott sei Dank riss sie sich zusammen.
„Moment , ich frag ihn mal“, sagte Anastasija und zückte ihr Handy. Als er abhob, sprach sie in einer anderen Sprache mit ihm, ich schätzte es war rumänisch. Jedenfalls klang es wahnsinnig toll, was vielleicht nur an ihrer wunderschönen Stimme lag.
Während sie sprach , nutzte ich die Zeit, um mich bei meinen beiden Freundinnen für mein Verhalten der letzten
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