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In Schönheit sterben

In Schönheit sterben

Titel: In Schönheit sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Goodhind
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fühlte er sich gleich wieder in die kleine Zwei-Zimmer-Wohnung mit dem heulenden Baby und den ständigen Forderungen nach mehr Geldzurückversetzt, damit sie endlich umziehen konnten, mehr Geld, das er damit verdient hatte, dass er mehr Schichten übernahm – Nachtschichten. Das war das Problem mit Cheryl gewesen: das zusätzliche Geld nahm sie gern, aber er sollte auch abends zu Hause sein.
    »Ich sehe mal, was sich machen lässt.«
    »Das will ich dir auch geraten haben!«
    Der Knall des schwungvoll aufgelegten Telefons hallte ihm im Schädel wider. Als hätte er nicht bereits auch so genügend Probleme. Eine Frau, die man ermordet hatte, indem man ihr gewaltsam eine Schlammpackung auf das Gesicht gedrückt hatte. Honey bei verdeckten Ermittlungen. Eine verschwundene Tochter. Nicht zu vergessen, einen Epergne aus geschliffenem Kristall. Und er musste den richtigen Zeitpunkt finden, um Honey von Rachel zu erzählen. Das, dachte er, war mit Abstand das Schwierigste.

Kapitel 8
    Wie nicht anders erwartet, hatte Lindsey im Green River Hotel alles im Griff. Das Personal unterstützte sie, und manche hatten vielleicht noch gar nicht gemerkt, dass die Chefin nicht da war.
    Die Gäste bekamen ihre Mahlzeiten, ihre sauberen Handtücher und ihre Weckrufe pünktlich, es waren keine Berufsnörgler im Haus, und das heiße Wasser war immer heiß.
    Die meisten blieben nicht länger als zwei Nächte. Eine Ausnahme bildete das japanische Ehepaar, das für zehn Tage gebucht hatte. Das waren ernsthafte Reisende und ernsthafte Sammler.
    »Ich habe zwei Drachen gekauft«, verkündete der japanische Herr.
    »Sie haben wirklich ein Auge für Schnäppchen, Mr. Okinara.«
    »Und für interessante Gegenstände«, schnaufte er. Er schleppte nämlich gerade zusammen mit einem Taxifahrer eines der oben erwähnten gusseisernen Ungeheuer in den Empfangsbereich des Hotels. Beide Männer waren schweißgebadet, nachdem sie das Biest mühsam vom Taxi zur Vordertür geschleift hatten.
    Im Lagerraum unter der Treppe befanden sich bereits das kürzlich erworbene Klistier und ein uralter Atlas, dessen Landkarten über und über mit dem Rosa der Territorien des britischen Weltreichs bedruckt waren.
    Und jetzt auch noch Drachen! Lindsey hoffte nur, dass die Biester nicht zu groß waren.
    »Bitte, sehen Sie einmal«, forderte sie Mr. Okinara fröhlich auf, während er noch nach Luft schnappte.
    Lindsey schob den Kopf über den Empfangstresen, etwa wie ein sehr langsamer Kuckuck, der aus seinem Häuschen in der Uhr hervorlugt. Alles Historische interessierte sie brennend. Sie wusste ungeheuer viel über Geschichte. Und über Fabelwesen.
    »Erlauben Sie mir eine Bemerkung?«, fragte sie vorsichtig.
    Mr. Okinara nickte, während ihm der Schweiß über die Wangen rann.
    »Das ist kein Drachen«, erklärte sie. »Das ist ein Wyvern. Schauen Sie mal. Die haben nur zwei Beine. Ein richtiger Drache hat vier.« Sie kam hinter dem Tresen hervor und sah genauer hin. »Das sind Fußabstreifer.«
    Mrs. Okinara klatschte in die Hände. »Großartig!«
    Lindsey war in ihrem Element. Mittelalterliche Geschichte war ihr Lieblingsthema.
    »Das sind mittelalterliche Fabelwesen. Eher angelsächsisch als keltisch, und eher ein Symbol für Alfred den Großen als für König Artus.«
    »Könnte ich die bei meinen anderen Schätzen unterbringen, bis ich den Versand nach Hause geregelt habe?«
    Lindsey griff nach dem Schlüssel zum Lagerraum unter der Treppe. »Hier entlang.«
    Sobald der erste gusseiserne Fußabstreifer sicher eingesperrt war, machten sich Mr. Okinara und der Taxifahrer auf, um den zweiten heranzuschleppen.
    »Ich glaube, ich habe Ihnen bereits erzählt, dass wir einen Antiquitätenhandel haben«, sagte Mrs. Okinara. »Die beiden hier würden sich am Eingang eines Konzerngebäudes wirklich schön machen, finden Sie nicht?«
    Lindsey stimmte ihr zu, dass sie wahrscheinlich wirklich schön aussehen würden. Sie war zu höflich, um sich zu erkundigen, wie viel Schlamm denn heutzutage die Straßen in Tokio, beziehungsweise in jedem anderen Stadtzentrum mit Konzernzentralen verschmutzte, sodass der Kauf von zwei sehr schweren und ziemlich großen Fußabstreiferngerechtfertigt wäre. Sie fragte sich auch, wie hoch wohl der Preis für den Transport sein würde, kam dann aber zu dem Schluss, dass hier der Zweck die Mittel heiligte. Konzerne hatten doch jede Menge Geld, oder nicht?
    Mrs. Okinara tätschelte den beiden gusseisernen Zweifüßlern die bedrohlichen Kämme.

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