In Schönheit sterben
Sie wollen doch schön für ihn sein.«
»O ja«, hauchte sie beinahe ekstatisch. »Ich muss an meinem großen Tag wirklich wunderbar aussehen.«
Dr. Dexter setzte sein Profilächeln auf. Insgeheim zählte er Banknoten. Diese dumme Gans war ins Ausland in die Ferien gefahren – wahrscheinlich nach Nordafrika – und hatte sich einen knackigen jungen Eingeborenen geschnappt, der es gar nicht abwarten konnte, endlich der Armut und der harten Arbeit zu entkommen. Er hatte vorgegeben, in sie verliebt zu sein, und sie hatte das Flugticket bezahlt, und nun folgte bald die standesamtliche Trauung mit allen Schikanen – natürlich von ihr bezahlt. Nun, sie war nicht die Erste, die die Liebe blind gemacht hatte, und sie würde auch nicht die Letzte sein. Er wollte da gar kein Werturteil fällen. Er wollte nur helfen.
»Wann schließen Sie denn den Bund fürs Leben, Mrs. van Rocher?«
»In sechs Wochen. Ich weiß, es ist ein bisschen kurzfristig, aber er darf sich hier nur so kurze Zeit aufhalten, ehe alle Formalitäten erledigt sind …« Sie leckte sich nervös über die Lippen, während sie eine kleine Pause einlegte, ehe sie sagte, worauf er schon wartete: »Ich könnte einen Aufpreis zahlen, wenn Sie mich vorziehen?«
Sie schaute ihn ernst an; ihre Augen bettelten wie die eines Spaniels, der Gassi gehen will.
Dexter kannte all diese Zeichen. Jetzt war hohe Schauspielkunst angesagt. Auch die beherrschte Dr. Dexter zur Vollkommenheit.
»Ah! Da könnten wir Probleme bekommen …«
»O, bitte!« Evelyn van Rochers Wurstfinger packten den Verschluss ihrer Christian-Dior-Handtasche fester. Das Ding sah aus wie ein echtes Designerteil, aber da, überlegte er, konnte heutzutage der Schein trügen.
Dr. Dexter trat in seinem luxuriösen Büro hinter den gläsernen Schreibtisch.
»Vielleicht lässt sich da doch noch was machen …«
Er sah, wie sie sich leicht nach vorn lehnte, ganz Ohr, um seinen Vorschlag anzuhören. Es kam ihm in diesen Situationen immer so vor, als würde er einen großen Fisch an der Angel einholen. Erst ließ man ihnen die richtigen Köder vor der Nase baumeln, dann konnten sie nicht widerstehen.
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, ins Ausland zu reisen?«
Sie schaute ängstlich, eine pummelige Hand fuhr zum Mund hoch, ein Finger lag am Kinn. »Nun … ich weiß nicht recht. Würde das viel teurer werden?«
Er schüttelte den Kopf. »Etwa gleich viel, wenn man bedenkt, dass Flüge und Unterkunft auch schon im Preis enthalten sind. Aber eine Reise ins Ausland ist sinnvoll, wenn man etwas schnell für einen wichtigen Anlass gemacht haben möchte. Würden Sie gern noch ein paar Tage darüber nachdenken?«
Wie er erwartet hatte, traf sie ihre Entscheidung schnell.
»Wenn es das Gleiche kostet, was habe ich dann schon zu verlieren?«
Kapitel 10
Dr. Dexter hatte die Akte schon zugeklappt, als Serena Sarabande in sein Behandlungszimmer kam.
»Mrs. van Rocher hat die fünfzehntausend Pfund bereits voll bezahlt. Sie reist morgen ab. Ich hatte sie schon in der Klinik eingebucht, wenn ich auch sagen muss, dass du da dein Glück auf die Probe gestellt hast. Woher wusstest du, dass sie so schnell antworten würde?«
Er lächelte langsam und mit Bedacht. »Sie ist eine verliebte Frau – eine der vielen Ferienromanzen zwischen Frühling und Herbst. Und du weißt ja: Liebe macht blind.«
Ein Lächeln stahl sich auf ihre Züge, ließ sie allerdings nicht warm aufleuchten, sondern veränderte die Konturen lediglich zu einem etwas katzenhaften, berechnenden Ausdruck. »Ja, und Alter schützt vor Torheit nicht. Jedenfalls ist sie morgen um diese Zeit auf dem Weg nach Venezuela.«
»Es wird ihr in der Francesca-Del-Rio-Klinik bestimmt wunderbar gefallen.«
Er hielte inne, als er ihren Gesichtsausdruck bemerkte. »Du hast sie doch da angemeldet, oder?« Seine ölig glatte Stimme hatte plötzlich einen scharfen Klang.
»Die waren ausgebucht. Du weißt doch, wie das ist. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, und die Amerikaner kommen irgendwie immer zuerst dran. Ich musste sie in die Agrippina Delicata schicken.«
»Herrgott noch mal!«
»Mach dir keine Sorgen. Das war eine einmalige Geschichte. Das passiert denen diesmal nicht wieder. Es wird alles gut. Vertraue mir.«
»Wir hatten nur Glück, dass die Frau das Feuer nicht lebendüberstanden hat. Ein zweites Mal kommen wir nicht so glimpflich davon.«
Er schaute sie durchdringend an, denn ihm war nicht wohl bei dem Gedanken, dass eine Patientin sich in einer
Weitere Kostenlose Bücher