In Schönheit sterben
deiner Wahl aufs Zimmer gebracht. Hausschuhe, Morgenmantel, was du dir auch wünschen magst, das La Reine Rouge hat es.«
»Es ist also kein freundliches, gemütliches kleines Hotel im Familienbesitz?« Er lächelte noch immer.
»Machst du Witze?«
Er schüttelte den Kopf. »Das würde ich niemals wagen.«
John war älter als sie. Er war vor einigen Jahren aus Kansas nach Bath gekommen. Sie war sich nicht sicher, warum er in England geblieben war. Eines Tages war er einfach wieder aus Bath verschwunden und hatte seinen kleinen Buchladen verpachtet. In seiner längst vergangenen Jugend hatte er in Vietnam auf einem Zerstörer gedient, der Waffen ins Flussdelta des Mekong transportierte. Er hatte immer noch den Körper eines Soldaten, aber die Augen eines Friedensboten. Und die dazu passende Stimme. Wenn er mit ihr sprach – meist über ziemlich allgemeine Themen –, dann hörte sie zu und vergaß alles ringsum.
Ihr war kaum aufgefallen, dass Casper zurückgekommen war und dass man die Dessertteller abgetragen und den Kaffee serviert hatte.
Die Preisverleihung hatte begonnen. Caspers Anspannung wuchs sichtlich. Seine Augen waren unverwandt aufden Moderator des Abends gerichtet, als wollte er ihn allein durch die Kraft seiner Gedanken dazu bringen, sich zu beeilen und ihm endlich den Preis für das beste unabhängige Hotel zu überreichen.
Honey hörte kaum auf das, was vorn gesagt wurde. Sie dachte über John Rees und seine wunderbare Stimme nach, aber sie dachte auch an Steve Doherty. Es hatte einen weiteren Mord im Fall Macrottie gegeben. Doherty hatte Casper informiert, sie aber nicht. Der Mord war auf einer Baustelle geschehen.
»Das Beauty Spot«, flüsterte sie und sprang auf.
John Rees schaute zu ihr hoch.
»John, ich muss gehen«, wisperte sie.
Er nickte freundlich.
Ihr ging durch den Kopf, dass er wahrscheinlich annahm, sie müsste auf die Toilette. Jetzt war keine Zeit für Erklärungen, und obwohl sie ihn liebend gern auf sein hochgerecktes Gesicht geküsst hätte, widerstand sie der Versuchung. Doherty hielt Abstand zu ihr, und wenn sie ehrlich war, wollte sie nicht, dass er das tat.
Draußen im Foyer zog sie ihr Handy aus der Tasche und tippte Steves Nummer ein. Nichts. Sie wollte den Vorgang gerade wiederholen, als sie sah, wie die Botschaft »Akku leer« sie bläulich anblinkte.
Hinter der Tür drinnen hörte man lauten Applaus. Sie vermutete, dass man den Preisträger verkündet hatte. Jetzt würde Casper mit großen Schritten auf die Bühne eilen und seine Siegesrede halten. Wenn sie je das Glück hätte, eine derartige Auszeichnung zu bekommen, sie würde sicher nur hervorwürgen können, dass sie allen dankte, die für sie gestimmt hatten. Casper dagegen hatte gewiss eine vorbereitete Rede in der Tasche, die mindestens fünfzehn Minuten dauern würde.
Sie eilte auf die Garderobe zu, um ihren Mantel zu holen. Wenn sie Doherty nicht per Telefon erreichte, dann eben per Taxi. Sie musste einfach wissen, was los war.
Kapitel 31
Es war ziemlich weit bis zur Polizeiwache, wenn es auch nur bergab ging. Normalerweise wäre Honey gelaufen, aber heute hatte sie ihre Killer-Stöckelschuhe und das dünne kleine Schwarze an. Hohe Absätze waren wirklich nicht dafür gemacht, dass man mit ihnen zu Fuß ging, sondern nur dafür, dass man mit ihnen gesehen wurde.
Es war schon neun Uhr abends, und sie musste ein Taxi finden. Das Problem war, dass der nächste Taxistand wahrscheinlich schon auf halbem Weg zur Manvers Street lag.
Zu allem Überfluss fing es auch noch an zu regnen. Ihre Frisur, die zu Beginn des Abends elegant gewesen war, hing ihr inzwischen wie ein nasser Mopp um die Ohren. Je mehr sie mit den Augen zwinkerte, desto mehr Wimperntusche rann ihr über die Wangen und wusch Streifen in ihr Make-up.
Kein einziges Taxi fuhr vorbei, und der Regen wurde immer stärker.
Mit den hohen Absätzen über uralte Bürgersteige zu stöckeln und dazu noch bergab, das fiel Honey gar nicht leicht. Der Regen machte sie beinahe blind, sodass sie die unebene Oberfläche des Gehsteigs nicht genau sehen konnte. Plötzlich kippte ein Absatz in die eine Richtung, und ihr Fußgelenk knickte in die andere Richtung um. Der andere Absatz blieb in einer der Spalten zwischen den Pflastersteinen stecken. Honeys Beine waren damit überfordert. Plumps, da lag sie schon auf der Nase.
»Aaaaaah!«
Die Flüche blieben ihr im Halse stecken. Ein weißes Knie lugte aus dem schimmernden schwarzen Strumpfhervor. Sie trug
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