In Schönheit sterben
hinter uns.«
»Nicht mehr lange.« Irgendetwas an Mary Janes leisem Knurren ließ Honey das Mark in den Knochen gefrieren. Alle möglichen Gedanken jagten ihr durch den Kopf. Dieses Knurren hatte sie bisher nur ein einziges Mal gehört: von dem bösen Dämonen in dem Film »Der Exorzist.«
Wie der Korken aus der Sektflasche schossen sie von der M48 auf die M4, die drei Spuren und noch mehr Verkehr zu bieten hatte.
Ein junger Autofahrer, aus dessen Wagen überlaut Musik dröhnte, starrte ihnen hinterher, als sie an ihm vorbeiflogen. Der Schall seiner höchst zweifelhaften Musik verfolgte sie donnernd. Dahinter ebenso der Bentley.
Beim Abzweig zur M5 war ein Stau. Eine blinkende Anzeigetafel erklärte, dass es einen Unfall gegeben hatte.
»Wir fahren bei der nächsten Ausfahrt raus«, schrie Mary Jane.
Die nächste Ausfahrt – Bristol – stellte sich als genauso verstopft heraus wie der Abzweig zur M5.
»Dann eben nach Hause«, verkündete Mary Jane lachend.
Honey fühlte sich wie Dorothy im »Zauberer von Oz«, die durch Zauberhand aus ihrer vertrauten Umgebung gerissen wurde.
Aber Honey wurde ja nicht wirklich durch Zauberhand irgendwohin transportiert, und Mary Jane war auch keine böse Übeltäterin wie die böse Hexe des Westens. Es war alles so unwirklich.
Sie flogen dahin, mit einem höchst verwunderten jungen Mann und seiner plärrenden Musik zwischen sich und dem Bentley von Luigi Benici.
Vor ihnen war die Autobahn mit Pfeilen markiert. Der Gedanke dabei war, dass man zwischen sich und dem nächsten Fahrzeug immer zwei Pfeile Platz ließ.
Mary Jane schien das nicht zu wissen – oder sie ignorierte es einfach.
Während sie dahinsausten, pries sie auch noch ununterbrochen die Vorzüge eines Cadillac Coupés gegenüber einem Bentley.
Honey bekam kaum etwas davon mit. Inzwischen waren selbst ihre Knöchel schneeweiß. Ihr schwirrte der Kopf, und sie plante bereits ihre eigene Beerdigung.
Weiße Blumen wären schön. Und eine Feuerbestattung. Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, in der Erde zu liegen und langsam von Würmern gefressen zu werden. Und was die Lieder betraf, da hatte sie immer ein Faible für die »Schlachthymne der Republik« 5 gehabt. Die passte auch prächtig zu Mary Janes Fahrstil. Buchstäblich und im übertragenen Sinn.
Mit Mary Jane am Steuer von der Autobahn abzufahren, das hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Apollomission. Beides war atemberaubend.
Honey schaute nach hinten.
Der grinsende junge Mann mit der lauten Musik folgte ihnen immer noch. Er war jung und hatte kein Problem, ihr Tempo mitzuhalten. Gleich hinter ihm fuhr der Bentley – keine gute Nachricht.
»Wir haben sie noch immer nicht abgeschüttelt«, sagte Honey.
»Vertraue mir«, antwortete Mary Jane.
Sie rasten wie im Tiefflug die Ausfahrt entlang. Oben war eine Verkehrsinsel.
Rechts um diese Insel herum ging es nach Bath. Die Ampel schaltete auf gelb, dann auf rot.
Mary Jane schoss gerade noch durch.
Die Autos, die hinter ihnen kamen, wären ihnen vielleicht gefolgt. Da war nur eine winzige Kleinigkeit. Mary Jane, die aus einem Land stammte, in dem die aufregendste Szene in einem Film eine Verfolgungsjagd mit Autos ist, und die ziemlich aufgeregt war, bog rechts ab. Aber sie fuhr nicht um die Verkehrsinsel herum, wie es sich gehört hätte. Sie hatte vergessen, dass sie auf der linken Straßenseite fahren sollte. Stattdessen bog sie nach rechts und in den Gegenverkehr ein, der von Bath her in Richtung Autobahn unterwegs war.
Autos kamen mit quietschenden Bremsen zum Stehen. Der Typ mit der lauten Musik hielt an der roten Ampel. Der Bentley überholte ihn, verkeilte sich aber mit einem weißen Lieferwagen, der grün hatte und unbedingt noch hatte durchfahren wollen. Ihn hatte ohnehin schon die alte Dame aus der Fassung gebracht, die direkt auf ihn losgerast war. Der rosa Cadillac hinterließ in seinem Fahrwasser jede Menge Autos, LKWs und Lieferwagen, die ihm rechts undlinks ausgewichen waren und wie wild hupten. Aber er war jetzt auf der A46 und flitzte in Richtung Bath.
»Meine Güte!«, rief Mary Jane völlig außer Atem und mit einem seltsamen Leuchten in den Augen. »War das nicht aufregend!«
Honey hatte die Augen noch fest zusammengekniffen und die Hände vors Gesicht geschlagen. Zu ihrer Mutter würde sie heute nicht mehr fahren.
Kapitel 37
Honey entschied sich spontan, noch einmal auf der Schönheitsfarm vorbeizuschauen.
Sie hatte im Bett (ihrem eigenen) gelegen und zur Decke
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