In Schönheit sterben
jedenfalls bezüglich Magda Church, Karen Pinkers Freundin und Mitbewohnerin, entschieden. Scruff 6 , dessen Namen Clint ihr auf den Zettel geschrieben hatte, würde sie wohl besser ohne Steve aufsuchen. Clint hatte ihr auf der Lageskizze noch einen Hinweis auf einen verlassenen Keller unter einer Eisenbahnbrücke gegeben. Mehr war von dem Haus nicht übriggeblieben, das dort gestanden hatte, als die Viktorianer von der Eisenbahnbegeisterung erfasst wurden und alles niederwalzten, was diesem fortschrittlichen Transportmittel im Wege stand.
Die Brücke verlief in großer Höhe parallel zur Straße A4. Ganz in der Nähe hatte man vor kurzem eine neue Einkaufspassage errichtet. Der tiefe Keller und sein Eingang waren noch da, ein sicherer Hafen für alle ohne festen Wohnsitz.
Dies, hatte ihr Clint aufgemalt, war der Eingang zu Scruffs Zuhause.
Magda war wesentlich leichter zu finden. Sie hatte mit Karen Pinker ein kleines Kutscherhäuschen unweit der A4 geteilt.
Honey rief also Steve an, und er erschien bald danach mit einem Strauß aus roten Rosen, dunkelgelben Dahlien und zartem Schleierkraut im Hotel. Er hatte ihr schon vorher Blumen geschenkt – zum Geburtstag, zu Weihnachtenzum Valentinstag. Heute war kein besonderer Tag, und daher kam der Strauß völlig überraschend.
»Steve, das wäre doch nicht nötig gewesen. Ich habe schließlich nicht Geburtstag.«
»Muss es immer einen Grund geben?«
Seltsamerweise konnte sie sich des Gedanken nicht erwehren, dass es sehr wohl einen Grund gab. Vielleicht hieß der Grund John Rees.
Nachdem sie Lindsey den Blumenstrauß gereicht hatte, die ihn ins Wasser stellen sollte, machten Steve und Honey sich auf zu dem kleinen Häuschen, das sich Karen Pinker mit Magda Church geteilt hatte.
Doherty hatte zuvor dort angerufen, um sicherzugehen, dass Magda zu Hause war. Sie war da. Sie war erkältet und hatte alle Model-Termine abgesagt. Sie saß in eine Decke eingehüllt auf dem Sofa. Die Heizung war voll aufgedreht, und auf einem Tischchen stand ein ganzes Bataillon von Arzneien gegen Husten, Schnupfen und Heiserkeit.
»Ich erkälte mich dauernd. Meine Mutter sagt, ich esse nicht genug.«
Honey konnte es sich gerade noch verkneifen, zu erwidern, ihre Mutter dagegen fände, sie äße zu viel.
»Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass Sie sich die Zeit nehmen, mit uns zu sprechen«, sagte Doherty.
»Was wollen Sie also wissen«, fragte Magda. »Was über Karen oder was über die Klinik?«
»Beides«, antwortete Doherty. »Ich habe gehört, dass Karen Pinker sich in Venezuela kosmetischen Operationen unterzogen hat.«
»Das stimmt.«
»Hatte das was zu bedeuten?«
Honey bemerkte, dass die junge Frau die Decke fester um sich zog. Dafür konnte es zweierlei Gründe geben. Entweder hatte sie Schüttelfrost, oder es war ein Reflex: die Decke als eine Art Sicherheitsbarriere zwischen ihr und den Fragen.
»Ich habe Karen in der Schönheitsfarm kennengelernt. Ich fand, dass sie sensationell aussah. Ich habe sie in Gedanken immer Miss Vollkommen genannt«, sagte Honey. Sie versuchte, ihrer Stimme einen fröhlichen Klang zu verleihen. Sie wollte Magda ein wenig beruhigen. Die schaute sie an. Eine kleine Falte stand auf ihrer Stirn.
»Sie waren das damals in dem Supermarkt, nicht wahr? Karen hat sich an Sie erinnert. Sie waren höflich zu ihr. Nicht alle ihre Kundinnen waren höflich.«
»Das ist schade.«
Doherty mischte sich ein. »Ich habe gehört, dass die Klinik Karens kosmetische Operationen bezahlt hat. Warum?«
Magdas Gesicht war offen und ehrlich, ihre Augen waren kugelrund und wirkten unschuldig. »Karen war das Aushängeschild der Klinik. Dr. Dexter wollte, dass eine Frau am Empfang arbeitet, der die Frauen nacheifern können – besonders ältere Frauen, die gern wieder jung sein wollen.«
Honey fiel auf, dass Magda bei diesen Worten in ihre Richtung schaute.
»Ich bin, wie ich bin«, verteidigte sie sich.
»Das ist schön für Sie. Aber wir wissen doch, dass die Werbung junge Frauen – manche noch halbe Kinder – dazu benutzt, Anti-Aging-Cremes anzupreisen. Ich kenne eine Kosmetikfirma, die ein dreizehnjähriges Mädchen in ihrem Spot für Anti-Cellulite-Creme zeigte.«
Das ärgerte Honey nun wirklich. »Die halten uns also alle für blöd.«
Magda nickte knapp. »Im Grunde ja.«
»Nie, nie wieder kaufe ich das Zeug!«
Magda lachte. »Bleiben Sie lieber bei Schlabberhosen. Viel sinnvoller!«
Honey spürte ihren Sarkasmus. Sie biss die Zähne
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