In seinen Händen - Coben, H: In seinen Händen - Caught
haben sie, oder?«
Er wartete auf eine Antwort. Es gelang Wendy, kurz zu nicken.
»Also warum sollte ich Dan einen Mord anhängen?«
»Ich weiß nicht«, brachte sie heraus.
Phil beugte sich vor und flüsterte: »Das habe ich auch nicht.«
Wendy bekam keine Luft. Sie versuchte, wieder zur Ruhe zu kommen, nachzudenken, irgendwie einen Schritt zurückzugehen. Drei Monate, bevor ihre Leiche gefunden wurde, war Haley McWaid ermordet worden. Warum? Was hatte Wendy
gedacht? Dass Phil sie sicherheitshalber schon einmal umgebracht hatte, für den Fall, dass der Richter Dan laufen ließ und Phil ihm dann den Mord anhängen konnte?
Ergab das überhaupt irgendeinen Sinn?
»Wendy, ich habe eine Tochter. Ich könnte keine Jugendliche ermorden. Ich könnte überhaupt niemanden ermorden.«
Ihr wurde klar, dass zwischen viraler Verleumdung und einem Mord, zwischen der Rache an ein paar ehemaligen Kommilitonen und dem Töten eines Teenagers ein riesengroßer Unterschied bestand.
Langsam sickerte die Wahrheit ein und machte sie schwindlig.
»Sie können das iPhone nicht in ihrem Zimmer versteckt haben«, sagte Wendy langsam. »Sie wussten nicht, wo Dan war.« Der Schwindel in ihrem Kopf ließ nicht nach. Sie versuchte, sich zu konzentrieren, die ganze Sache zu begreifen, aber die Antwort war offensichtlich. »Sie können es nicht gewesen sein.«
»Das stimmt, Wendy.« Er lächelte, und der friedliche Ausdruck kehrte wieder in sein Gesicht zurück. »Deshalb bin ich hier. Erinnern Sie sich? Ich habe Ihnen gesagt, dass ich nicht meinetwegen, sondern Ihretwegen gekommen bin. Das ist mein Abschiedsgeschenk für Sie.«
»Was für ein Geschenk? Das verstehe ich nicht. Wie ist das iPhone in Dans Motelzimmer gekommen?«
»Sie kennen die Antwort, Wendy. Sie fürchten, das Leben eines unschuldigen Menschen zerstört zu haben. Aber das haben Sie nicht. Es gibt nur eine Erklärung dafür, dass das Handy in seinem Zimmer war: Dan hat es die ganze Zeit gehabt.«
Sie sah ihn nur an. »Hat Dan Haley umgebracht?«
»Offensichtlich«, sagte er.
Sie konnte sich nicht bewegen, bekam immer noch nicht richtig Luft.
»Und jetzt wissen Sie alles, Wendy. Sie sind frei. Mir tut das alles furchtbar leid. Ich weiß nicht, ob es das wiedergutmachen kann, was ich Ihnen angetan habe, aber es wird reichen müssen. Wie ich am Anfang schon sagte, deshalb bin ich hergekommen - um Ihnen zu helfen.«
Dann hob Phil Turnball die Pistole. Er schloss die Augen und sah beinahe friedlich aus. »Sagen Sie Sherry, dass es mir leidtut«, sagte er. Wendy hob die Hände, schrie, dass er es nicht tun solle, rannte auf ihn zu.
Aber sie war zu weit weg.
Er setzte den Lauf von unten ans Kinn, zielte nach oben und drückte ab.
SECHSUNDDREISSIG
Fünf Tage später
D ie Polizei ließ alles reinigen.
Sowohl Walker als auch Tremont kamen vorbei, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen und sich anzuhören, was passiert war. Sie versuchte, alles so ausführlich wie möglich zu erzählen. Auch die Medien zeigten großes Interesse. Farley Parks ließ eine Pressemitteilung veröffentlichen, in der die Medien und all jene, die »sich voreilig ein Urteil gebildet« hätten, gebrandmarkt wurden, stieg aber nicht wieder ins Kandidatenrennen für die Wahl zum Kongress ein. Dr. Steve Miciano lehnte sämtliche Interview-Anfragen ab und erklärte, dass er aufhören würde, als Arzt zu praktizieren, und »anderen Interessen nachgehen« werde.
Was diese beiden betraf, hatte Phil Turnball recht gehabt.
Das Leben kehrte schnell in die sogenannten normalen Bahnen zurück. NTC sprach Wendy von jeglichem sexuellen Fehlverhalten frei, ihre Arbeit war trotzdem unerträglich geworden. Vic Garrett konnte ihr nicht in die Augen sehen. Er ließ ihr sämtliche Aufträge über seine Assistentin Mavis übermitteln. Bisher war nichts auch nur halbwegs Interessantes dabei gewesen. Wenn sich das nicht änderte, würde sie deutlicher Stellung beziehen müssen.
Aber noch war es nicht ganz so weit.
Pops kündigte an, dass er am Wochenende wieder seiner Wege ziehen würde. Er war noch ein paar Tage geblieben, um sicherzugehen, dass es Wendy und Charlie gut ging. Jetzt jedoch
verkündete er, er müsse los, er sei eben ein »Rambling Man«, ein »Rolling Stone«. Er hielte sich nicht gerne lange an einem Ort auf. Wendy verstand das, aber bei Gott, sie würde ihn wirklich vermissen.
Erstaunlicherweise hatte zwar ihr Arbeitgeber akzeptiert, dass die Internet-Gerüchte über sie nicht der
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