In seinen Händen - Coben, H: In seinen Händen - Caught
die Bücher aus dem Rucksack nehmen, den Rucksack unten in den Spind stellen, die Jacke aufhängen, ein paar Worte mit einer Freundin sprechen über Lacrosse oder vielleicht auch über einen Jungen, in den sie verknallt war.
Marcia hörte etwas hinter sich auf dem Flur. Sie drehte sich um und sah, dass die Tür des Rektorzimmers geöffnet wurde. Pete Zecher, der Rektor der Highschool, trat heraus, gefolgt von, wie Marcia annahm, einem Elternpaar. Sie kannte die beiden nicht. Keiner sagte etwas. Pete Zecher streckte die Hand aus, die Eltern schüttelten sie jedoch nicht. Sie drehten sich wortlos um und gingen zur Treppe. Pete Zecher sah ihnen nach, schüttelte kurz den Kopf und sah den Flur entlang.
Er entdeckte sie. »Marcia?«
»Hi, Pete.«
Pete Zecher war ein guter Rektor, immer sehr offen und bereit, die Regeln zu beugen oder einen Lehrer ins Gebet zu nehmen, wenn es um das Wohl eines Schülers ging. Pete war hier in Kasselton aufgewachsen, auf ebendiese Highschool gegangen, und mit der Ernennung zum Rektor dieser Schule sah er seinen Lebenstraum verwirklicht.
Er kam auf sie zu: »Störe ich?«
»Überhaupt nicht.« Marcia rang sich ein Lächeln ab. »Ich wollte nur für einen Moment den Blicken entgehen.«
»Ich habe die Generalprobe gesehen«, sagte Pete. »Patricia macht das wirklich prima.«
»Schön, das zu hören.«
Er nickte. Beide sahen den Spind an. Marcia entdeckte ein Abziehbild mit den Worten »Kasselton Lacrosse« und zwei gekreuzten Sticks. Das gleiche klebte auch an der Heckscheibe ihres Wagens.
»Was war denn mit diesen Eltern?«, fragte sie.
Pete lächelte schwach. »Das ist vertraulich.«
»Oh.«
»Aber ich könnte Ihnen eine hypothetische Situation beschreiben.«
Sie wartete.
»Als Sie in der Highschool waren, haben Sie da mal Alkohol getrunken?«, fragte er.
»Ich war ein ziemlich braves Mädchen«, sagte Marcia und hätte fast hinzugefügt, so wie Haley . »Aber natürlich haben wir uns gelegentlich mal ein Bier besorgt.«
»Wie sind Sie da rangekommen?«
»An die Biere? Ein Onkel vom Nachbarjungen hatte einen Schnapsladen. Wie war das bei Ihnen?«
»Ein Freund von mir, Michael Wind, sah deutlich älter aus, als er war«, sagte Pete. »Sie wissen schon - so einer, der sich in der sechsten Klasse schon rasieren musste. Er hat das Zeug gekauft. Das ginge ja jetzt nicht mehr, weil inzwischen jeder einen Ausweis vorlegen muss.«
»Und was hat das mit Ihrem hypothetischen Elternpaar zu tun?«
»Die meisten Leute glauben, dass die Kids sich den Alkohol
heutzutage mit gefälschten Ausweisen besorgen. Das gibt’s natürlich, aber seit ich Lehrer oder Rektor bin, habe ich gerade mal fünf gefälschte Ausweise konfisziert. Trotzdem ist der Alkohol bei den Jugendlichen ein größeres Problem denn je.«
»Und wie kommen sie dann daran?«
Pete sah zur Treppe, die die Eltern gerade hinuntergegangen waren. »Sie kriegen ihn von den Eltern.«
»Die Jugendlichen holen ihn sich heimlich aus dem Schrank der Eltern?«
»Schön wär’s. Das Paar, mit dem ich eben gesprochen habe - rein hypothetisch -, waren die Milners. Nette Leute. Er verkauft Versicherungen in der Stadt. Sie hat eine Boutique in Glen Rock. Sie haben vier Kinder, zwei davon gehen bei uns auf die Highschool. Der Älteste ist in der Baseball-Mannschaft.«
»Und?«
»Und am Freitag haben diese beiden netten, fürsorglichen Eltern ein Fass Bier gekauft und im Keller eine Party für die Baseball-Mannschaft geschmissen. Zwei der Jungs waren betrunken und haben Eier auf das Haus eines anderen Mitschülers geworfen. Einer war so besoffen, dass man ihm fast den Magen auspumpen musste.«
»Moment. Die Eltern hatten das Fass gekauft?«
Pete nickte.
»Und darüber haben Sie mit ihnen gesprochen?«
»Ja.«
»Was haben sie zu ihrer Verteidigung gesagt?«
»Sie haben die Ausrede angeführt, die ich in solchen Fällen fast immer zu hören bekomme: Hey, die Kids trinken sowieso - da kann ich wenigstens dafür sorgen, dass sie es in einer sicheren Umgebung machen. Die Milners wollten verhindern, dass ihre Kinder in New York oder an einem anderen gefährlichen Ort trinken und dann womöglich hinterher noch Auto
fahren oder so etwas. Also haben sie der Mannschaft erlaubt, sich bei ihnen im Keller zu besaufen. Bei ihnen im Haus, wo sie nicht so schnell in größere Schwierigkeiten kommen.«
»Klingt schon irgendwie logisch.«
»Würden Sie es machen?«, fragte er.
Marcia überlegte. »Nein. Aber letztes Jahr waren wir mit Haley
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