In seinen Händen - Coben, H: In seinen Händen - Caught
ausgerissen ist. Ich glaube, ihr ist etwas zugestoßen. Etwas Schlimmes.«
FÜNF
W endy wachte morgens auf und schaltete den Panini-Maker an - eigentlich nur ein einfacher Sandwich-Toaster oder Kontaktgrill mit einem hochtrabenden Namen. Trotzdem war er schnell zum wichtigsten Gerät im Haus geworden, weil sie und Charlie sich hauptsächlich von Paninis ernährten. Sie legte ein paar Scheiben Bacon und Käse zwischen zwei Scheiben Trader Joe’s- Vollkornbrot und klappte die vorgeheizte Oberseite herunter.
Wie jeden Morgen kam Charlie die Treppe heruntergetrampelt wie ein übergewichtiges Pferd mit Ambossen an den Füßen. Er setzte sich nicht hin, sondern sackte vielmehr auf dem Küchenstuhl zusammen und verschlang das Sandwich.
»Wann gehst du zur Arbeit?«, fragte Charlie.
»Ich hab gestern meinen Job verloren.«
»Stimmt. Hatte ich vergessen.«
Der Egoismus von Teenagern. Manchmal, wie in diesem Moment, konnte er richtig liebenswert sein.
»Fährst du mich zur Schule?«, fragte Charlie.
»Klar.«
Der Stau vor dem morgendlichen Schüler-Absetzpunkt der Highschool war absurd lang. Manchmal hielt Wendy es kaum aus, an anderen Tagen hingegen war die gemeinsame Fahrt die einzige Zeit, in der sie sich mit ihrem Sohn unterhielt. Manchmal sprach er dabei sogar über seine Gedanken und Wünsche - natürlich nicht offen oder direkt, aber wenn sie genau zuhörte,
erfuhr sie doch eine ganze Menge. Heute saß Charlie allerdings mit gesenktem Kopf neben ihr und simste auf seinem Handy. Er sagte die ganze Zeit kein Wort. Seine Finger flogen über das winzige Tastenfeld.
Als sie vor der Schule hielten, stieg Charlie aus dem Wagen, ohne das Simsen zu unterbrechen.
Wendy rief ihm hinterher: »Danke, Mom!«
»Yep,’tschuldigung.«
Als Wendy zu Hause wieder in ihre Einfahrt einbog, fiel ihr der Wagen auf, der direkt vor ihrem Haus parkte. Sie hielt an, stellte den Motor aus und griff nach ihrem Handy. Eigentlich rechnete sie nicht damit, Schwierigkeiten zu bekommen, aber man konnte nie wissen. Sie tippte 9-1-1 ein, legte den Finger auf die Anrufen - Taste und stieg aus.
Er hockte hinten an ihrer Stoßstange.
»Der Reifen ist ziemlich platt«, sagte er.
»Kann ich Ihnen helfen, Mr. Grayson?«
Ed Grayson erhob sich, wischte sich die Hände ab und sah blinzelnd in die Sonne. »Ich war vorhin bei Ihrem Fernsehsender. Die meinten, Sie wären gefeuert.«
Sie sagte nichts.
»Ich nehme mal an, dass es mit der Entscheidung der Richterin zusammenhängt.«
»Kann ich etwas für Sie tun, Mr. Grayson?«
»Ich möchte mich für das entschuldigen, was ich gestern nach dem Gerichtstermin zu Ihnen gesagt habe.«
»Vielen Dank«, sagte sie.
»Und falls Sie ein bisschen Zeit haben«, fuhr Ed Grayson fort, »dann sollten wir uns wirklich mal unterhalten.«
Nachdem beide im Haus waren und Ed Grayson das angebotene Getränk abgelehnt hatte, setzte Wendy sich an den
Küchentisch und wartete. Ed Grayson ging noch einen Moment lang auf und ab, dann zog er den anderen Küchenstuhl heran und stellte ihn direkt vor sie, so dass er nicht einmal einen Meter von ihr entfernt saß.
»Zuerst einmal«, sagte er, »möchte ich mich noch einmal entschuldigen.«
»Nicht nötig. Ich versteh schon, wie Sie sich fühlen.«
»Wirklich?«
Sie antwortete nicht.
»Mein Sohn heißt E. J., Ed Junior. Er war ein glücklicher Junge. Hat viel Sport gemacht. Am liebsten Eishockey gespielt. Ich selbst hab absolut keine Ahnung von dem Spiel. Als ich jung war, hab ich Basketball gespielt. Aber Maggie, meine Frau, stammt aus Québec. Ihre ganze Familie spielt Eishockey. Liegt ihnen im Blut. Irgendwann hab ich auch angefangen, mich dafür zu begeistern. Wegen des Jungen. Aber jetzt, tja, jetzt hat E. J. kein Interesse mehr daran. Wenn ich mit ihm in die Nähe eines Eishockeyfelds gehe, rastet er aus. Er will lieber zu Hause bleiben.«
Er brach ab und sah zur Seite. Wendy sagte: »Tut mir leid.«
Schweigen.
Wendy versuchte, das Thema zu wechseln. »Worüber haben Sie sich mit Flair Hickory unterhalten?«
»Sein Mandant ist seit mehr als zwei Wochen nicht mehr gesehen worden«, sagte er.
»Und?«
»Und daher habe ich versucht rauszubekommen, wo er wohl sein könnte. Aber Mr. Hickory hat es mir nicht verraten.«
»Hat Sie das überrascht?«
»Nein, eigentlich nicht.«
Wieder Schweigen.
»Und was kann ich für Sie tun, Mr. Grayson?«
Grayson fing an, mit seiner Uhr herumzuspielen, einer Timex mit elastischem Metallarmband. Wendys Vater hatte
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