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In seinen Händen - Coben, H: In seinen Händen - Caught

Titel: In seinen Händen - Coben, H: In seinen Händen - Caught Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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Tremont saß diesen offensichtlich leidenden Eltern in ihrem reizenden Vororthaus gegenüber und überlegte, da war sich Marcia sicher, wie er ihnen wieder einmal mitteilen sollte, dass er nichts Neues über ihre vermisste Tochter zu berichten wusste.
    »Tut mir leid«, sagte Frank Tremont.
    Wie erwartet. Fast aufs Stichwort.
    Marcia sah, wie Ted sich zurücklehnte. Er legte den Kopf in den Nacken, sah nach oben und blinzelte, um die Tränen zu verbergen. Sie wusste, dass Ted ein guter Mann war, ein wundervoller Mann, ein großartiger Ehemann, Familienvater und Versorger. Aber er war, wie sie gelernt hatte, kein besonders starker Mann.
    Marcia ließ Tremont nicht aus den Augen. »Und was jetzt?«, fragte sie.
    »Wir suchen weiter«, antwortete er.
    »Wie?«, fragte Marcia. »Ich meine, was kann man sonst noch machen?«
    Tremont öffnete den Mund, zögerte, schloss ihn wieder. »Ich weiß es nicht, Marcia.«
    Ted McWaid ließ seinen Tränen freien Lauf. »Ich versteh das nicht«, sagte er, wie schon so oft zuvor. »Wie kommt es, dass Sie von der Polizei überhaupt nichts finden?«
    Tremont wartete einfach ab.
    »Mit Ihrer ganzen Technik, all dem Fortschritt und dem Internet …«
    Teds Stimme verklang. Er schüttelte den Kopf. Er verstand es nicht. Immer noch nicht. Marcia verstand es. So einfach war das alles nicht. Vor Haleys Verschwinden waren sie eine typische
amerikanische Familie gewesen, deren Wissen über (und damit auch der Glaube an) die Ermittlungsbehörden dem jahrelangen Konsum von Fernsehserien entstammte, in denen alle Fälle gelöst wurden. Die gut frisierten Schauspieler fanden ein Haar, einen Fußabdruck oder eine Hautschuppe, die sie unter ein Mikroskop legten, und im Nu, nach nicht einmal einer Stunde, war die Lösung gefunden. Aber das war nicht die Realität. Die Realität sah man, wie Marcia inzwischen wusste, eher in den Nachrichten. So hatte zum Beispiel die Polizei in Colorado den Mörder der Kinder-Schönheitskönigin JonBenét Ramsey immer noch nicht gefunden. Und Marcia erinnerte sich auch noch gut an die Schlagzeilen, die es gegeben hatte, als Elizabeth Smart, ein hübsches, vierzehnjähriges Mädchen, spätnachts aus ihrem Schlafzimmer entführt worden war. Die Medien waren groß in das Kidnapping eingestiegen, die ganze Welt hatte gebannt zugeschaut, als Polizisten, FBI-Agenten und diese ganzen Experten für Spurensuche Elizabeths Haus in Salt Lake City auf der Suche nach der Wahrheit durchkämmt hatten - trotzdem war mehr als neun Monate lang niemand auf den Gedanken gekommen, den irren, größenwahnsinnigen Obdachlosen zu überprüfen, der gelegentlich ein paar Kleinigkeiten im Haus erledigt hatte, obwohl Elizabeths Schwester ihn an dem Abend gesehen hatte. Wenn man das bei CSI oder Law & Order gebracht hätte, wären diverse Fernbedienungen durchs Wohnzimmer geflogen, weil es angeblich so »unrealistisch« sei. Aber auch wenn man versuchte, es zu beschönigen, so etwas passierte eben immer wieder.
    Die Realität war, das hatte Marcia inzwischen gelernt, dass selbst Idioten immer wieder mit Kapitalverbrechen davonkamen.
    Die Realität war, dass sich keiner von uns sicher fühlen durfte.

    »Können Sie mir noch irgendetwas sagen?«, versuchte es Tremont jetzt. »Irgendetwas, das Ihnen aufgefallen ist?«
    »Wir haben Ihnen schon alles erzählt«, sagte Ted.
    Tremont nickte. Seine Miene wirkte heute noch zerknirschter als sonst. »Wir haben schon andere vergleichbare Fälle gehabt, wo ein vermisster Teenager dann einfach wieder aufgetaucht ist. Die mussten dann einfach mal Dampf ablassen, oder sie hatten insgeheim einen Freund.«
    Das hatte er ihnen schon einmal einzureden versucht. Wie alle anderen, einschließlich Ted und Marcia, hoffte auch Frank Tremont, dass Haley eine Ausreißerin war.
    »Erinnern Sie sich an dieses junge Mädchen aus Connecticut?«, fuhr Tremont fort. »Sie hatte sich mit dem falschen Typen eingelassen und ist abgehauen. Sie ist dann drei Wochen später einfach wieder nach Hause gekommen.«
    Ted nickte, sah dann Marcia an, damit sie seinen neu aufkeimenden Optimismus bestärkte. Marcia versuchte, etwas hoffnungsvoller dreinzublicken, schaffte es aber nicht. Teddy wandte sich ab, als hätte er sich verbrüht, entschuldigte sich kurz und verließ das Zimmer.
    Es war seltsam, dachte Marcia, dass ausgerechnet sie den klarsten Blick hatte. Natürlich wollten Eltern nie wahrhaben, dass sie so wenig über ihr Kind wussten und nichts von seinem Unglück, seiner

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