In seinen Händen - Coben, H: In seinen Händen - Caught
nach hinten gepresst, sie preschte nach vorne, bis im Rückspiegel niemand mehr zu sehen war. Dann griff sie nach ihrem Handy. Immer noch keine Balken. Trotzdem wählte sie 9-1-1 und drückte Verbinden , worauf ein Piepton ertönte und im Display die Nachricht Kein Empfang erschien. Sie fuhr einen guten Kilometer. Immer noch kein Balken. Sie fuhr weiter, zurück zur Route 206, und versuchte es noch einmal. Nichts.
Nach weiteren fünf Kilometern hatte sie ein Netz und konnte telefonieren.
»Was für einen Notfall wollen Sie melden?«
»Es wurde jemand erschossen.«
SIEBEN
A ls Wendy schließlich gewendet hatte und zu Dan Mercers Wohnwagen zurückgefahren war, sah sie drei Streifenwagen am Tatort. Ein Polizist fing sie an der Einfahrt zur Wohnwagensiedlung ab.
»Sind Sie die Dame, die das gemeldet hat?«, fragte der Polizist.
»Ja.«
»Ist mit Ihnen alles in Ordnung, Ma’am?«
»Mir geht’s gut.«
»Brauchen Sie ärztliche Hilfe?«
»Nein, alles okay.«
»Sie sagten am Telefon, der Täter wäre bewaffnet gewesen?«
»Ja.«
»Kommen Sie bitte mit.«
Er führte sie zu einem Streifenwagen und öffnete die hintere Tür. Sie zögerte.
»Das ist nur zu Ihrer Sicherheit, Ma’am. Sie sind nicht festgenommen oder so etwas.«
Sie setzte sich hinein. Der Polizist schloss die Tür und setzte sich auf den Fahrersitz. Er ließ den Motor nicht an, sondern bombardierte sie weiter mit Fragen. Gelegentlich unterbrach er sie, indem er die Hand hob, und übermittelte per Funk ein paar Einzelheiten von dem, was sie gesagt hatte, vermutlich an einen anderen Polizisten. Sie erzählte ihm alles, was sie wusste, einschließlich des Verdachts, dass Ed Grayson der Täter war.
Nach mehr als einer halben Stunde kam ein anderer Polizist auf den Streifenwagen zu. Ein Schwarzer, riesengroß und dick, mindestens hundertfünfzig Kilo schwer, der ein Hawaiihemd über der Hose trug, das ein normal gebauter Mensch als Muumuu hätte nutzen können. Er öffnete die hintere Wagentür.
»Ms. Tynes, ich bin Sheriff Mickey Walker vom Sussex County Police Department. Darf ich Sie bitten mitzukommen?«
»Haben Sie ihn?«
Walker antwortete nicht. Er watschelte auf die Einfahrt der Wohnwagensiedlung zu. Wendy beeilte sich, hinter ihm herzukommen. Sie sah einen weiteren Polizisten, der einen Mann in einem Unterhemd und Boxershorts befragte.
»Sheriff Walker?«
Er verlangsamte seinen Schritt nicht. »Hatten Sie gesagt, dass Sie glaubten, der Mann mit der Skimaske hieße Ed Grayson?«
»Ja.«
»Und der ist erst nach Ihnen angekommen?«
»Ja.«
»Wissen Sie, was für einen Wagen er fuhr?«
Sie überlegte. »Das habe ich nicht gesehen, nein.«
Walker nickte, als wäre das die Antwort, die er erwartet hatte. Sie erreichten den Wohnwagen. Walker stieß die Tür auf, beugte sich etwas herunter und quetschte sich hinein. Wendy folgte ihm. Zwei weitere uniformierte Polizisten waren schon da. Wendy sah in die Ecke, in der Dan zu Boden gefallen war.
Nichts.
Sie sah Walker an. »Haben Sie die Leiche schon entfernt?« Aber sie kannte die Antwort. Sie hatte weder Kranken- noch Leichenwagen oder Fahrzeuge von der Spurensicherung gesehen.
»Hier war keine Leiche«, erwiderte er.
»Das verstehe ich nicht.«
»Auch kein Ed Grayson oder sonst irgendjemand. Wir haben hier nichts verändert. Der Wohnwagen sieht genauso aus, wie in dem Moment, als wir ihn betreten haben.«
Wendy deutete in die hintere Ecke. »Da lag er. Dan Mercer. Ich hab mir das nicht ausgedacht.«
Sie starrte auf die Stelle, an der die Leiche gelegen hatte, und dachte: O nein, das ist doch unmöglich. Eine Filmszene schoss ihr durch den Kopf, die man schon tausendmal gesehen hatte: Die Leiche ist verschwunden, und die Frau fleht: » Aber Sie müssen mir doch glauben!« Natürlich völlig vergeblich. Wendy sah den großen Polizisten fragend an. Sie hatte mit Skepsis gerechnet, doch Walker überraschte sie.
»Ich weiß, dass Sie sich das nicht ausgedacht haben«, sagte er.
Innerlich hatte sie sich schon auf eine längere Diskussion vorbereitet. Das war jetzt überflüssig geworden. Sie wartete.
»Atmen Sie mal tief ein«, sagte Walker. »Riechen Sie etwas?«
Das tat sie. »Schießpulver.«
»Ja. Und meiner Meinung nach ist es auch ziemlich frisch. Wir haben auch noch mehr. Da drüben ist ein Loch in der Wand. Die Kugel ist direkt durchgegangen. Wir haben sie draußen in einem Gasbetonstein gefunden. Sieht aus wie eine Achtunddreißiger, aber das erfahren wir später noch
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