In seinen Händen - Coben, H: In seinen Händen - Caught
er je gesehen hat. Daher kann er sich noch ganz genau an ihn erinnern. Sie haben zwar gesehen, wie er Dan Mercer erschossen hat - aber es gibt weder Leiche noch Mordwaffe, außerdem hat er eine Maske getragen.«
Irgendetwas nagte weit hinten in Wendys Hirn. Sie kam aber nicht ganz heran.
Tremont sagte: »Sie können sich denken, worum ich Sie jetzt bitten werde, oder?«
»Ich glaub schon.«
»Das Leben der McWaids war die reinste Hölle. Ich will nicht, dass sie noch mehr durchmachen müssen. Daher dürfen Sie noch nicht darüber berichten.«
Wendy sagte nichts.
»Eigentlich haben wir auch sowieso nichts, außer ein paar aufgebauschten Theorien«, fuhr er fort. »Ich verspreche Ihnen, dass ich Sie als Erste über irgendwelche neuen Erkenntnisse informiere. Aber im Sinne der Ermittlung - und zum Schutz von Haleys Eltern - dürfen Sie jetzt noch nichts sagen. Abgemacht?«
Das nagende Gefühl im Hirn war immer noch da. Tremont wartete. »Abgemacht«, sagte sie.
Als sie das abgesperrte Gebiet wieder verlassen hatte, war Wendy nur kurz überrascht, als sie Ed Grayson an ihrem Wagen sah. Er hatte sich leicht angelehnt und versuchte vergeblich, locker und ungezwungen zu wirken. Er hantierte nervös mit einer Zigarette herum, steckte sie dann in den Mund und saugte daran, wie ein Ertrinkender an einem Atemschlauch.
»Wollen Sie mir noch einen GPS-Sender an die Stoßstange klemmen?«, fragte sie.
»Ich habe absolut keine Ahnung, wovon Sie reden.«
»Natürlich nicht. Sie wollten nur nachsehen, ob der Reifen platt war, stimmt’s?«
Grayson nahm noch einen tiefen Zug von der Zigarette. Sein Gesicht war heute noch nicht mit einem Rasierer in Berührung gekommen, aber das galt für die meisten Männer, die so früh hier rausgekommen waren. Seine Augen waren blutunterlaufen. Er sah erheblich schlechter aus als der Mann, der ihr erst gestern vertraulich seine Thesen zur Selbstjustiz erläutert hatte. Sie dachte an seinen Besuch, ließ ihn sich noch einmal durch den Kopf gehen.
»Haben Sie wirklich geglaubt, ich würde Ihnen helfen, Dan umzubringen?«, fragte sie.
»Die Wahrheit?«
»Das wäre nett, ja.«
»Vielleicht hätten Sie mir zumindest in der Theorie beipflichten können. Vielleicht sind Sie etwas unsicher geworden, als ich Ariana Nasbro ins Spiel brachte. Aber, nein, eigentlich habe ich nicht damit gerechnet, dass Sie mir helfen würden.«
»Dann haben Sie’s einfach mal drauf ankommen lassen?«
Er antwortete nicht.
»Oder war der ganze Besuch nur ein Vorwand, um den GPS-Sender an meinem Auto anzubringen?«
Ed Grayson schüttelte langsam den Kopf.
»Was ist?«, fragte sie.
»Sie haben ja überhaupt keine Ahnung, was hier abläuft, stimmt’s, Wendy?«
Sie trat näher an die Fahrertür heran. »Was machen Sie hier, Ed?«
Er sah zum Wald. »Ich wollte bei der Suche mithelfen.«
»Und Sie durften nicht?«
»Was glauben Sie?«
»Das klingt aber doch ein bisschen nach Schuldgefühlen.«
Er zog noch einmal an der Zigarette. »Tun Sie mir einen Gefallen, Wendy? Ersparen Sie sich und mir die Psychoanalyse.«
»Was wollen Sie dann von mir?«
»Ihre Meinung.«
»Worüber?«
Er hielt die Zigarette zwischen den Fingerspitzen und betrachtete sie, als ob sie die Antwort auf all seine Fragen enthielte. »Glauben Sie, dass Dan das Mädchen umgebracht hat?«
Sie überlegte, was sie darauf antworten sollte. »Was haben Sie mit der Leiche gemacht?«
»Sie fangen an. Hat Dan Haley McWaid umgebracht?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht hat er sie nur irgendwo eingesperrt, und aufgrund dessen, was Sie getan haben, muss sie jetzt verhungern.«
»Netter Versuch.« Er kratzte sich die Wange. »Aber das mit den Schuldgefühlen haben die Cops bei mir schon ausprobiert.«
»Hat wohl nicht geklappt?«
»Nein.«
»Verraten Sie mir, was Sie mit der Leiche gemacht haben?«
»Ach je.« Absolut monoton sagte er: »Ich. Habe. Keine. Ahnung. Wovon. Sie. Sprechen.«
So kam sie nicht weiter - außerdem musste sie los. Dieses Nagen im Kopf hatte irgendetwas mit den Nachforschungen über die Studenten-Wohngruppe in Princeton zu tun. Dass Dan und Haley gemeinsam durchgebrannt waren - okay, schon möglich. Aber was war mit den Skandalen, in die seine ehemaligen Mitbewohner verwickelt waren? Vielleicht hatte das nichts zu bedeuten. Aber irgendwo hatte sie einen entscheidenden Punkt übersehen.«
»Also, was wollen Sie von mir?«, fragte sie.
»Ich versuche herauszubekommen, ob Dan dieses Mädchen wirklich entführt
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