In seinen Händen - Coben, H: In seinen Händen - Caught
selbstsicheren, wenn nicht gar grausamen Captain Morgan auf dem Etikett der Rumflasche. Ein wirklich furchteinflößender Kumpan, wenn man alleine trank. Sie öffnete den Mund, um ihm zu widersprechen, aber er unterbrach sie, indem er die Hand hob.
»Kommen Sie mir nicht mit einer tröstlichen Bemerkung. Das wäre beleidigend.«
Er hatte Recht.
»Sie sind wahrscheinlich nicht hergekommen, um zu sehen, wie ich mich im Selbstmitleid suhle.«
»Na ja, irgendwie ist das schon recht unterhaltsam.«
Fast hätte er gelächelt. »Was wollen Sie wissen, Wendy?«
»Was macht Sie so sicher, dass Dan Mercer Haley umgebracht hat?«
»Sie meinen, welches Motiv er hatte?«
»Ja, genau das meine ich.«
»Soll ich die alle in alphabetischer Reihenfolge auflisten? Wie Sie ja mehr oder weniger selbst bewiesen haben, war er ein Sexualstraftäter.«
»Okay, das ist mir schon klar. Aber in diesem Fall, na ja, was soll’s? Haley McWaid war siebzehn. In New Jersey darf man mit sechzehn heiraten.«
»Vielleicht hatte er Angst, dass sie an die Öffentlichkeit gehen würde.«
»Womit? Es war doch alles legal.«
»Trotzdem. Es hätte verheerende Auswirkungen auf seinen Fall gehabt.«
»Und darum hat er sie umgebracht? Damit das nicht an die Öffentlichkeit kommt?« Sie schüttelte den Kopf. »Haben Sie irgendwelche Anzeichen für eine frühere Beziehung zwischen Mercer und Haley gefunden?«
»Nein. Ich weiß, dass Sie mit dieser These im State Park hausieren gegangen sind - dass die beiden sich vielleicht im Haus seiner Ex begegnet sind und was miteinander angefangen haben. Ausgeschlossen ist das nicht, aber wir haben absolut keine Hinweise darauf, und den Eltern zuliebe möchte ich diesen Punkt eigentlich nicht weiter verfolgen. Am wahrscheinlichsten erscheint mir außerdem weiterhin, dass Mercer Haley im Haus der Wheelers gesehen hat, von ihr besessen war, sie sich geschnappt, was auch immer mit ihr gemacht und sie dann umgebracht hat.«
Wendy runzelte die Stirn. »Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.«
»Warum nicht? Erinnern Sie sich noch an Haleys zwischenzeitlichen Freund Kirby Sennett?«
»Ja.«
»Nachdem wir die Leiche gefunden hatten, hat sein Anwalt ihm erlaubt, sagen wir, etwas offener mit uns zu reden. Ja, Haley und er sind ein paarmal heimlich miteinander ausgegangen, die Beziehung stand aber ziemlich auf der Kippe. Er behauptet, Haley wäre sehr ungehalten gewesen, vor allem, weil
die University of Virginia sie nicht genommen hat. Er meinte, sie könnte wohl auch irgendwas genommen haben.«
»Drogen?«
Er zuckte die Achseln. »Auch das müssen die Eltern nicht unbedingt wissen.«
»Ich versteh das trotzdem nicht. Warum hat Kirby Ihnen das nicht gleich gesagt?«
»Weil der Anwalt Angst hatte, dass wir den Jungen mal näher unter die Lupe nehmen, wenn wir gewusst hätten, was wirklich zwischen den beiden lief. Und da hat er natürlich absolut Recht.«
»Wenn Kirby aber doch nichts zu verbergen hatte?«
»Erstens: Wer behauptet denn, dass er nichts zu verbergen hat? Er ist Gelegenheits-Dealer. Wenn Haley irgendetwas genommen hatte, war es vermutlich von ihm. Zweitens: Die meisten Anwälte erzählen einem, dass Unschuld nicht vor Strafe schützt. Wenn Kirby gesagt hätte, ›yoh, wir haben so’n bisschen was miteinander gehabt, außerdem hatte sie vielleicht auch noch so ein paar Sachen eingeworfen oder geraucht, die ich ihr gegeben habe‹, wären wir ihm auf die Pelle gerückt, hätten da ein Expeditionszelt errichtet und wären ihm in jedes Loch gekrochen. Und als die Leiche dann gefunden wurde, hätten wir auch noch eine Expedition den Darm hochgeschickt. Jetzt hingegen, wo Kirby nicht mehr unter Verdacht steht, kann er uns ruhig ein bisschen was erzählen.«
»Nettes System«, sagte sie. »Von den Anal-Analogien gar nicht zu reden.«
Er zuckte die Achseln.
»Sind Sie sicher, dass dieser Kirby nichts damit zu tun hatte?«
»Und wie kam Haleys Handy dann in Dan Mercers Motelzimmer?«
Sie dachte darüber nach. »Guter Einwand.«
»Außerdem hat er ein gutes Alibi. Hören Sie, Kirby ist so ein typischer verzogener Rowdy aus reichem Elternhaus - einer von denen, die sich für einen harten Burschen halten, weil sie vielleicht in der Nacht vor Halloween ein Haus in Klopapier eingewickelt haben. Er hat hier wirklich nichts getan.«
Wendy lehnte sich zurück. Ihr Blick fiel auf ein Bild von Tremonts toter Tochter, verharrte da aber nicht. Sie wandte ihn schnell wieder ab, vielleicht zu
Weitere Kostenlose Bücher