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In seiner Hand

Titel: In seiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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hätte: »Wovon redest du überhaupt?«

    »Meiner Meinung nach warst du im Großen und Ganzen im Recht«, fuhr Carol fort. »Trotzdem ist es immer auch eine Frage des Tons, nicht wahr? Und eine Frage des Zeitpunkts. Ich finde es gut, dass du gekommen bist, um noch einmal über alles zu reden.« Wir standen inzwischen vor Laurences Bürotür. »Ach, und übrigens«, fügte sie eine Spur zu beiläufig hinzu, »das mit der Polizei. Worum ging’s dabei überhaupt?«
    »Das ist ziemlich kompliziert«, antwortete ich. »Falscher Ort zur falschen Zeit.«
    »Bist du …, du weißt schon …?«
    Also darauf wollte sie hinaus? Offenbar machte das Gerücht die Runde, ich sei vergewaltigt worden.
    »Nein, bin ich nicht.«

    Nun musste ich mir von Laurence Joiner sagen lassen, was ich brauchte. Es war alles sehr peinlich. Ich beschloss spontan, mich nicht auf einen detaillierten Bericht über meine jüngste medizinische und psychiatrische Geschichte einzulassen. Offensichtlich waren meine letzten Tage bei Jay & Joiner nicht gerade glorreich verlaufen, und solange auch nur die kleinste Aussicht darauf bestand, in die Firma zurückkehren zu können, sollte ich wohl versuchen, die Sache nicht noch schlimmer zu machen.
    »Gute Idee«, antwortete ich. »Ich versuche mir in der Tat so viel Ruhe zu gönnen wie nur irgend möglich.«
    »Ich brauche dir ja wohl nicht zu sagen, wie wichtig du für uns bist, Abbie.«
    »Doch, ich bitte darum«, gab ich zurück. »Es tut immer gut, das zu hören.«
    Laurence Joiner besaß zweiundvierzig Anzüge. Einmal hatte er in seinem Haus eine Party gegeben, und eine von den Assistentinnen war in sein Schlafzimmer marschiert und hatte sie gezählt, drei Schränke voll. Das lag ein Jahr zurück, so dass mittlerweile vermutlich weitere hinzugekommen waren. Schöne Anzüge. Gerade strich er über die Kniepartie des edlen dunkelgrünen, den er heute trug, als handle es sich um ein Schoßhündchen.
    »Wir haben uns Sorgen um dich gemacht«, sagte er.
    »Ich habe mir auch ein bisschen Sorgen um mich gemacht.«
    »Zuerst dachten wir … , na ja, ich brauche ja nicht noch einmal alles durchzukauen.«
    O doch, bitte, flehte ich ihn im Geiste an. Wenn der Apfel nicht von selbst fallen wollte, musste ich den Baum eben ein wenig schütteln.
    »Ich würde wirklich gerne sicherstellen«, erklärte ich krampfhaft, »dass aus deiner Sicht noch alles in Ordnung ist.«
    »Wir sind alle auf derselben Seite«, antwortete Laurence.
    Beide Seiten waren so überaus höflich.
    »Ja, aber ich würde gern explizit hören, wie du das Ganze siehst. Ich meine, die Tatsache, dass ich unbezahlten Urlaub genommen habe. Ich möchte deine Meinung dazu hören.«
    Laurence runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, ob es gut ist, alles wieder breitzutreten. Ich bin nicht mehr böse auf dich, das kannst du mir glauben. Mir ist inzwischen klar geworden, dass du schon eine ganze Weile völlig überarbeitet warst. Meine Schuld. Du warst so produktiv, so effektiv. Da habe ich dir einfach zu viel aufgebürdet.
    Ich glaube, wenn wir uns nicht wegen des Avalanche-Projekts in die Haare geraten wären, dann wäre es wegen etwas anderem passiert.«
    »Ist das alles?«
    »Wenn du damit meinst, ob ich dir auch verziehen habe, dass du, nachdem du bereits unbezahlten Urlaub genommen hattest, den Ruf der Firma geschädigt hast, indem du in der ganzen Stadt herumgefahren bist und unsere Kunden aufgefordert hast, sich zu beschweren, dann lautet die Antwort, ja. So einigermaßen zumindest.
    Hör zu, Abbie, ich hoffe, ich höre mich jetzt nicht wie einer der Typen aus Der Pate an, aber ich finde es wirklich nicht richtig, wenn du dich mit Kunden gegen die Firma verbündest. Wenn du tatsächlich der Meinung bist, sie seien schlecht beraten oder übervorteilt worden, dann wende dich doch in Zukunft bitte an mich, statt die Leute hinter meinem Rücken und nach eigenem Gutdünken zu informieren. Aber ich glaube, darüber sind wir uns inzwischen alle einig.«
    »Wann, ähm – bloß zu meiner eigenen Information – ich meine, ähm, wann genau habe ich denn die Kunden zu diesen Beschwerden veranlasst?« Ich brauchte ihn nicht zu fragen, um welche Art von Beschwerden es sich gehandelt hatte: an das Avalanche-Projekt selbst konnte ich mich noch gut genug erinnern, um zu wissen, worum es dabei gegangen war.
    »Du hast aber nicht vor, von neuem auf dieser ganzen Sache herumzureiten, oder? Jetzt, wo wir gerade die schlimmsten Wogen geglättet haben?«
    »Nein, nein. Ich

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