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In seiner Hand

Titel: In seiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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starrte ihn an.
    »Ist das dein Ernst?«
    »Während du weitersuchst, werde ich mich anziehen«, antwortete er. »Und ja, das ist mein Ernst.«
    Ich zog sämtliche Schubladen in der Küche und im Wohnzimmer heraus und knallte sie wieder zu, öffnete und schloss Schranktüren, Letzteres ebenfalls ziemlich lautstark, aber der Schlüssel blieb unauffindbar. Er lag weder beim Besteck noch bei den Rechnungen, weder bei den Konservendosen noch bei den Tüten mit Mehl und Reis, den Packungen mit Frühstücksmüsli, Kaffee und Tee, den Flaschen mit Öl, Essig und Sojasauce. Er hing auch nicht an einem der Haken für die großen Teetassen.
    Ebensowenig lag er auf dem Sturz der Verbindungstür zwischen den beiden Räumen. Er war nicht auf einem der Bücherregale, nicht beim Briefpapier, nicht in der Glasschale, in die ich immer – bisher immer – meinen ganzen Kleinkram legte.
    Terry kam zurück ins Zimmer. Er schob die Hände in seine Jackentaschen und klimperte ungeduldig mit ein paar Münzen.
    »Hör zu«, sagte ich. »Du willst nicht, dass ich hier bin, ich bin genau so wenig begeistert darüber, hier zu sein.
    Geh doch einfach zur Arbeit, und wenn du wiederkommst, bin ich weg. Ich werde nichts stehlen. Ich werde auch nicht die Sachen mitnehmen, die mir gehören. Du kannst sie behalten, wahrscheinlich ist es sowieso besser, wenn ich bei Null anfange, ohne Altlasten. Ich werde mit meinem Lippenstift auch keine Obszönitäten auf deinen Badezimmerspiegel schmieren. Ich werde den Schlüssel finden und gehen. In Ordnung?«
    Er klimperte noch immer mit seinem Kleingeld. »Sollen wir es wirklich auf diese Weise enden lassen?«, fragte er schließlich, was mich sehr überraschte.
    »Die Frau, die gestern Abend hier war, macht einen netten Eindruck«, entgegnete ich. »Wie war noch mal ihr Name? Sarah?«
    »Sally«, antwortete er resigniert. »Also gut, ich lasse dich jetzt allein.«
    »Danke. Mach’s gut.«
    »Du auch, Abbie.« An der Tür blieb er noch einen Moment lang stehen, dann ging er.
    Ich machte mir einen letzten Kaffee. Mit der Tasse in der Hand spazierte ich durch die Wohnung. Ein Teil von mir überlegte, ob der Schlüssel vielleicht in diesem Krug stecken könnte oder in jenem Regalfach. Ein anderer Teil von mir sah sich einfach um, hing Erinnerungen nach. Ich fand den Schlüssel unter dem Basilikumtöpfchen. Das Basilikum war völlig ausgetrocknet, die Blätter welk. Ich goss es sorgsam. Dann spülte ich meine Tasse aus, stellte sie in den Schrank zurück und ging.

    Bis nach Bow war es weit. Als ich ankam, besaß ich noch achtundvierzig Pfund und ein paar Pennies. Ich ließ mir in einer Postfiliale den Weg zum Parkplatz für abgeschleppte Fahrzeuge erklären. Wie sich herausstellte, war er mehr als einen Kilometer von der nächstgelegenen U-Bahn-Station entfernt. Eigentlich hätte man doch annehmen können, dass das Auto irgendwo abgestellt wurde, wo man es mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen konnte, wenn sie es unbedingt abschleppen mussten. Ich hätte mir ein Taxi genommen, wenn ich eines gesehen hätte, doch ich konnte keines entdecken. Es gab nichts außer Autos und Lastwagen, die von den großen Pfützen auf der Straße Wasser hochspritzen ließen.
    Ich ging also zu Fuß, vorbei an den BMW-Händlern, den Fabriken, die Lampen, Gaststättenbedarf und Teppiche herstellten, den Baustellen, wo Kräne mit Schneehauben reglos in den Winterhimmel ragten. Als ich den Hügel hinter mir gelassen hatte, konnte ich den Parkplatz bereits sehen: endlose Reihen von Wagen, von einem hohen Zaun mit doppelt gesicherten Toren umgeben. Die meisten Autos waren alt und verbeult. Vielleicht hatten ihre Besitzer sie einfach irgendwo stehen lassen. Meinen Wagen, der ebenfalls alt und verbeult war, konnte ich nirgends entdecken.
    Ich betrat das Büro an der Ecke und überreichte einem Mann meinen Brief, der daraufhin in einem Aktenschrank herumstöberte, ein Formular herausholte, sich am Kopf kratzte und laut seufzte.
    »Dann kann ich jetzt zu meinem Wagen?«, fragte ich.
    »Moment, nicht so schnell, vorher müssen Sie noch bezahlen.«
    »O ja, natürlich, entschuldigen Sie. Wie viel?« Nervös tastete ich in meiner Tasche nach dem immer dünner werdenden Bündel Geldscheine.
    »Ich bin gerade dabei, alles zusammenzurechnen. Da wäre erst einmal das Bußgeld für widerrechtliches Parken, außerdem die Abschleppkosten und dann die Gebühr für die Zeit, die der Wagen hier stand.«
    »Oh. Das klingt nach einer beachtlichen

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