In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition)
der Vermisstensache Klasen eine Aussage machen wollen.« Sie schaute zu Theo und verdrehte die Augen.
»Der Fall ist abgeschlossen? Das glaube ich eher nicht.« Sie runzelte die Stirn. »Pass auf, ich schick dir die beiden, dann kannst du dir selbst ein Bild machen, okay?«
Sie legte auf. »Pech«, sagte sie, »ausgerechnet Markus Müller betreut den Fall. Der ist echt eine Katastrophe – stinkfaul. Der versteckt sich hinter seinem Beamtenstatus, um ja nicht den Hintern hochkriegen zu müssen. Aber es hilft nichts, da müsst ihr jetzt durch.«
»Wenn du das sagst …« Theo stöhnte.
»Es geht ja nicht nur um Reinhold und Sebastian. Wenn an unserer schrägen Geschichte was dran ist, hat der Täter vermutlich noch jemand ganz anderen im Visier.«
Theo musterte den Mann vor sich mit spontaner Abneigung. Hadices ehemaliger Kollege war vielleicht Anfang vierzig, hatte aber schon jetzt etwas undefinierbar Rentnerhaftes an sich. Sein aschblondes, ausgedünntes Haar klebte an seinem Schädel. Zu einer beigen Bundfaltenhose trug er ein kleinkariertes Hemd. Der Schnitt verriet, dass es schon mindestens zwanzig Jahre alt war. Theo musste an einen alten Song von Marius Müller Westernhagen denken: »Horst ist noch kein alter Mann, doch er zieht sich schon so an.«
»Bitte schön, nehmen Sie Platz, was kann ich für Sie tun?« Kommissar Markus Müller nestelte an seinen Hemdärmeln.
»Eigentlich hoffen wir ja eher, Ihnen helfen zu können«, sagte Theo und berichtete. Lars hielt sich zurück. Zwischen ihnen hockte Paul auf dem Boden. Statt sich wie sonst üblich hinzufläzen, hielt er sich aufrecht und starrte den Kommissar unentwegt an, was diesen offensichtlich irritierte.
Als Theo geendet hatte, legte Müller die Fingerspitzen aneinander, sodass sie ein Dreieck bildeten. »Wenn ich mal zusammenfassen darf, Sie sind Bestatter und haben zwei Tollwuttote hier in Wilhelmsburg. Das ist natürlich beunruhigend und der Sache werden wir zweifellos in Zusammenarbeit mit dem Robert Koch-Institut nachgehen.« Er blickte demonstrativ auf die Uhr an der Wand. Theo registrierte den Blick. Die Zeiger standen auf fünf vor drei. Offenbar Zeit für die Kaffeepause, dachte er.
»Wir werden den Seuchenherd aufspüren und umgehend sichern«, fuhr Müller fort. »Aber der Rest Ihrer Geschichte klingt, gelinde gesagt – unwahrscheinlich.« Er lächelte schmal. »Sie glauben also, dass es sich um einen Racheakt handelt? An zwei Männern, die als Jungen in der Schule ein bisschen über die Stränge geschlagen haben?«
»So würde ich das nicht ausdrücken«, schaltete sich Lars in das Gespräch ein. »Unser Mitschüler Jonas Brenner hat damals infolge der ständigen Quälereien sogar einen Selbstmordversuch unternommen.«
»Wie lange ist das jetzt alles her, sagten Sie?« Der Kommissar zeigte sich unbeeindruckt.
Theo und Lars warfen einander einen Blick zu. »Es hat in der neunten Klasse angefangen und sich bis zum Abitur hingezogen«, sagte Theo.
»Das war vor siebzehn Jahren«, ergänzte Lars.
Müller beugte sich vor. »Ganz ehrlich, meine Herren, es erscheint mir höchst unwahrscheinlich, dass jemand nach so langer Zeit plötzlich beschließt, seine Quälgeister von einst zu ermorden.«
»Finde ich nicht«, erwiderte Lars. »Es kann einen Auslöser gegeben haben, der die Sache wieder hochgeholt hat. Bei Traumata ist das gar nicht so selten.«
»Und Sie sind Psychologe?«
»Nein. Entrümplungsunternehmer.«
»Aha.« Müller blickte verständnislos. »Abgesehen davon, wie stellen Sie sich den Hergang vor? Glauben Sie vielleicht, jemand hat eine tollwutkranke Fledermaus so abgerichtet, dass sie auf Kommando jemanden beißt?«
»Nein«, sagte Theo mit unbewegtem Gesichtsausdruck, »dazu würde so ein krankes Tierchen viel zu schnell sterben, als dass man es noch abrichten könnte.«
»Zumal die Bisswunden in beiden Fällen am Hals erfolgten«, ergänzte Lars und deutete auf seine Kehle.
Müller runzelte die Stirn.
Lars konnte sich einfach nicht zurückhalten. »When you have excluded the impossible, whatever remains, however improbable, must be the truth«, zitierte er.
Theo sah ihn belustigt an. Müller schien nicht folgen zu können.
»Wenn man das Unmögliche ausgeschlossen hat, ist das, was übrig bleibt, unweigerlich die Wahrheit, auch wenn sie noch so unwahrscheinlich scheint«, übersetzte Lars.
»Sherlock Holmes«, ergänzte Theo.
Müller starrte ihn an. Was für seltsame Vögel hatte seine Exkollegin Öztürk da
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