In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition)
bloß auf ihn losgelassen? »Also, wie soll es abgelaufen sein, Ihr Attentat«, versuchte er, Boden wettzumachen.
Theo zuckte die Schultern. »Vielleicht eine Injektion …«
Triumphierend zog Müller eine Akte zu sich heran und schlug sie auf. »Nein, es waren zweifellos Bisse. Bisse einer Fledermaus. Der Experte tippt auf …«, Müller warf erneut einen Blick in die Akte. »Eptesicus serotinus«, las er stockend vor, »ernährt sich von Insekten.«
»Eine Breitflügelfledermaus also«, ergänzte Lars.
Woher weiß der das nun schon wieder, dachte Theo. Lars war ein steter Quell überraschenden Expertenwissens.
Müllers Gesicht verzog sich zunehmend zu einer Grimasse. Klugscheißer konnte er nicht ausstehen.
»Wie dem auch sei.« Er schlug den Aktendeckel zu. »Ich sehe keinerlei Veranlassung für eine weitere Untersuchung der Todesfälle. Den Fledermäusen hingegen werden wir auf den Pelz rücken.« Er wollte sich erheben, um die beiden Pappnasen loszuwerden, die ihm seine kostbare Zeit raubten. Schließlich war die wohlverdiente Pause seit sieben Minuten überfällig.
Theo hob die Hand. »Moment noch. Gesetzt den Fall, dass wir recht haben, ist ganz sicher eine weitere Person in Gefahr.«
»Gewissermaßen das Haupt der Medusa«, ergänzte Lars.
Wovon faselt der Kerl?, dachte Müller.
»Nathalie Stüven.« Der Name reichte aus, damit Müller sich aufrecht hinsetzte. Nathalie Stüven war eine der einflussreichsten Bürgerinnen der Elbinsel. Sie stand im Hamburger Senat der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt vor, das wusste er. »Die Senatorin, meinen Sie?«
»Ganz genau.« Lars kraulte Paul den Schädel.
Müller überlegte. Mit einer derart lächerlichen Geschichte konnte er unmöglich bei der Senatorin aufschlagen. Schon gar nicht, wenn er in dem Zusammenhang mögliche Verfehlungen ihrerseits in der Schulzeit würde ansprechen müssen. Völlig ausgeschlossen.
»Meine Herren, vielen Dank, dass Sie sich die Mühe gemacht haben. Ich versichere Ihnen, die Angelegenheit ist bei uns in den besten Händen.«
Er beschloss, keine Aktennotiz anzufertigen. Nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass doch etwas passieren sollte.
Theo und Lars erhoben sich. »Na, dann war’s das wohl fürs Erste.«
Draußen, auf der Treppe des weißen Neubaus, in dem die Polizeiwache Wilhelmsburg untergebracht war, sahen sie einander an.
»Denkst du das Gleiche wie ich?«, fragte Theo.
»Sicher.« Lars runzelte die Stirn. »Der Typ da drin wird keinen Finger krumm machen.«
»Mist.« Theo kratzte sich am Kopf. »Dann müssen wir das wohl übernehmen. Und ich hab wirklich so was von gar keine Lust, Nathalie einen Besuch abzustatten.«
»Ich würde ja mitkommen, aber das wäre wohl kaum hilfreich.«
Nein, dachte Theo. Nathalie hatte es nicht ausstehen können, dass es jemanden gab, den sie weder um den Finger wickeln noch fertigmachen konnte. Jemanden wie Lars.
KAPITEL 7
Theo beschloss, die unangenehme Geschichte nicht lange aufzuschieben. Nachdem er sich von Lars und dem Mops verabschiedet hatte, fuhr er schnurstracks nach Hause. Sein reetgedecktes Haus lag praktischerweise direkt neben dem Bestattungsinstitut.
Er und Nadeshda hatten fast alle Zwischenwände entfernen lassen, sodass eine großzügige Wohnküche den Großteil des Erdgeschosses einnahm. Theo mochte den Mix aus altem Gemäuer und moderner Ausstattung. Während er den Rechner startete, machte er sich einen großen Kaffee mit viel Milchschaum. Anschließend googelte er Dr. Nathalie Stüven im Hamburger Senat und rief umgehend an.
»Frau Dr. Stüven hat das Haus bereits verlassen«, teilte ihm die wohltemperierte Stimme am anderen Ende der Leitung mit.
»Ich muss sie dringend sprechen. Es ist wirklich wichtig. Wichtig für Frau Stüven. Würden Sie ihr bitte eine Nachricht hinterlassen?«
»In welcher Angelegenheit?«
»Das ist privat.«
Die Dame zögerte. »Sicher, Dr. Matthies. Darf ich die Nummer auf dem Display notieren?«
Theo war beeindruckt. Die Assistentin hatte sich seinen Namen vom Anfang des Gesprächs gemerkt. »Nein, geben Sie ihr besser meine Mobilnummer.«
»Natürlich. Ich notiere.«
Doch Nathalie sollte erst am nächsten Tag von sich hören lassen.
Stattdessen rief May ihn an.
»Theo«, sagte sie, »die Schule hat angerufen. Kannst du Lilly abholen? Ich kann hier nicht weg.«
Sie betreute gerade eine Familie, bei der eine alte Frau daheim im Kreise ihrer Lieben gestorben war. Ein Umstand, der selten war, obwohl die meisten
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