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In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition)

In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition)

Titel: In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Fux
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»Ssüß oder sauer?«, wollte er wissen.
    »Süße«, sagte Theo. »So schöne, dicke, dunkle.«
    Benno nickte und ging zu einem etwa mannsgroßen Baum hinüber. »Hier hahaben wir eine relativ neue Sorte. Gar nicht mal so übel. Kkommt aus England.« Mit geübtem Blick pflückte er ein besonders schönes Exemplar und reichte es Theo.
    »Lecker.«
    »Ddas ist eine ›Merchant‹. Oder ddie hier.« Er ging ein paar Schritte weiter. »Die ist ein Klaklassiker in der Region, ›Allers Späte‹, heißt sie. Aaber die sind noch nicht ganz so weit.« Er ging weiter, ohne sich zu vergewissern, ob Theo ihm folgte. »Hhier haben wir die ›Valeska‹. Hhat eine gute Fruchtgröße und ein ffeines Aroma. Ddie Valeska ist immer recht früh dran.« Er reichte Theo die dunkle, fast schwarze Frucht.
    Der wird ja richtig gesprächig, wenn es um Kirschen geht, dachte Theo und kostete. »Toll, ich glaube, die nehme ich.«
    »Wwirst dich aber noch gedulden müssen.« Benno schaute streng. »In dder Erntezeit verpflanzen wir die nicht. Am besten funktioniert das Setzen im Hherbst.«
    »Kein Problem.«
    »Aber kkaufen kannst du den Kkleinen hheute schon. Dann gehört ddir sogar diese Ernte«, meinte Benno großzügig.
    »Prima.« Theo freute sich. Hanami im April, dachte er. Mit Hanna.
    Benno hatte sich bereits umgedreht und strebte mit weit ausholenden Schritten zum Ende der kleinen Plantage. Theo hatte Mühe, ihm zu folgen. Viel herausbekommen hatte er noch nicht. Er musste sich beeilen. »Es scheint, wir sind die Einzigen, die in die Fußstapfen ihrer Väter getreten sind«, wagte er einen Vorstoß, als er Benno eingeholt hatte.
    Benno brummte.
    Geht das schon wieder los mit dem Gebrumme, dachte Theo. »Ich hab nämlich das Bestattungsinstitut übernommen …«
    »Ich wweiß. Ich llese Zeitung.«
    Theo erinnerte sich, dass damals ein entsprechender Bericht im Wilhelmsburger Wochenblatt gestanden hatte. »Mediziner wird Bestatter«. Eine Schlagzeile nicht ohne Ironie. »Ja, und gestern, da war doch dieses Klassentreffen …«
    Benno schnaubte. Immerhin eine kommunikative Variante, dachte Theo. Er beschloss, direkt zum Kern der Sache vorzustoßen. »Die meisten sind sogar gekommen. Sebastian und Reinhold natürlich nicht.«
    »Ich wweiß. Mamausetot, alle beide.«
    Theo betrachtete ihn verstohlen von der Seite. Aber das Gesicht blieb unbewegt. »Ich hab dich auf Sebastians Beerdigung gesehen.«
    Benno schwieg.
    »Ich glaube, ehrlich gesagt, jemand hat die beiden, na ja, umgebracht, denke ich«, sagte Theo zögernd.
    Benno blieb stehen und drehte sich zu Theo um. »Wwas willst du, Theo?«
    Theo spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht schoss.
    »Ddu glaubst, ›Vielleicht hat dder arme Benno sie abgemurkst?‹. Weil sie ihn immer so gepipiesakt hahaben, oder?« Er lachte schrill. »Wwer weiß«, sagte er dann listig. »Vverdient gehabt hätten sie es, die Schweischweinehunde.« Dann stapfte er davon.
    Theo blieb zweifelnd zurück. Benno war wie ein Bär. Was in ihm vorging, ließ sich nicht an seinem Gesicht ablesen. Und das, so wusste er, machte Bären so unberechenbar.

KAPITEL 12
    Theo bezahlte seinen Baum an der Kasse, radelte nach Hause, tauschte das Fahrrad gegen den Wagen aus und machte sich auf den Weg ins Stader Krematorium. Die brandneue Anlage lag jenseits der Elbe im Süden der Stadt. Sie sah aus wie eine gewöhnliche kleine Fabrikanlage, inklusive Schornstein. Dort parkte bereits ein Minivan mit der Aufschrift »Seniorenstift Entenbach«. Ein rascher Blick auf die Uhr bestätigte ihm, dass er wie üblich eine Viertelstunde vor dem Termin eingetroffen war. Offenbar hatten es die alten Damen eilig gehabt. Zum Glück hatten seine Leute die Tote schon am Vorabend angeliefert.
    Im Vorraum kam ihm eine rundliche Frau mittleren Alters entgegen, die im Seniorenheim als Pflegerin arbeitete. »Die konnten’s einfach nicht erwarten, ihre Freundin zu verbrennen«, sagte sie mit grimmigem Humor und wies mit dem Daumen über die Schulter.
    Theo musste lachen. Dort stand Mike Adler, der gutmütige Leiter des Krematoriums, umringt von drei alten Frauen.
    »Und wie lange würde es bei mir dauern?«, fragte gerade Ruth Seemann. Sie war eine zierliche Person, die durch den Buckel noch kleiner wirkte. Sie trug ein fliederfarbenes Kostüm, bei dessen Anblick Theo an die Queen denken musste. Ihr Haar war sorgfältig zu einem violett schimmernden Helm frisiert – offenbar hatten es sich die drei nicht nehmen lassen, zu diesem feierlichen Anlass

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