In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition)
schwenkte Sebastian die Bäckereitüte. »Die nehmen wir mal lieber an uns, oder Reinhold?«
Der kickte mit dem Fuß einen der Äpfel zu ihr hinüber. »Den darfst du behalten. Ist alles nur zu deinem Besten.«
Sebastian grinste und biss in das zweite Negerkussbrötchen. Dann machten sie sich lachend davon. Das Mädchen sammelte seine feuchten Schulsachen in die Tasche. Sie biss sich auf die Unterlippe. Nur nicht heulen, alles, bloß nicht heulen, dachte sie.
KAPITEL 13
»Markus Müller. Was für ein Trottel.« Hadice humpelte wütend in ihrem kleinen Wohnzimmer auf und ab. »Der hat doch nur Schiss, dass er sich blamiert, wenn er der Frau Senatorin mit so einer Theorie kommt.« Wütend stieß sie ihre Krücke in den Boden. »Die Frau braucht Personenschutz!«
»Hat die so was nicht sowieso?« Theo hatte nur vage Vorstellungen vom Politikerleben.
»Quatsch. Wir leben in Hamburg! Attentate sind hier ziemlich selten. Wir haben keine Ressourcen, um jeden Senator persönlich zu hätscheln. Das ist nur der Fall, wenn es einen speziellen Verdacht gibt.«
»Der ja nun gegeben wäre.« Lars bewahrte ein Glas vor dem Umfallen, das bedenklich wackelte, als Hadice mit der Krücke versehentlich gegen den Couchtisch stieß.
»Eben.« Die Polizistin hatte sich von Theo und Hanna haarklein den Stand der Recherchen berichten lassen.
»Verflixte Sache«, schimpfte sie und hinkte im Zimmer auf und ab.
»Um Himmels willen, setz dich, du machst mich ganz nervös.« Theo erwischte die lädierte Kommissarin an einem Zipfel ihres T-Shirts und zog sie neben sich aufs Sofa.
Sie vergrub das Gesicht in den Händen. »Wenn ich nur schon wieder im Dienst wäre! Dieses Herumsitzen macht mich wahnsinnig.« Sie nahm einen Schluck kalten türkischen Mokka und verzog das Gesicht. »Zum Verhör einbestellen könnte ich unsere Verdächtigen zwar auch nicht, aber ein unerwarteter Besuch der Polizei verunsichert sie manchmal so, dass sie einen Fehler machen.« Mit einem hölzernen Schaschlikspieß stocherte sie unter der Plastikschale herum, die den verletzten Fuß stabilisierte. »Himmel, das juckt wie Hölle.« Dann richtete sie die Augen wieder auf Theo: »Und du bist also der Meinung, Benno und Sylvia sind die wahrscheinlichsten Kandidaten?«
»Von denen, die ich getroffen habe, schon. Allerdings ist da noch Sanna, die wir nicht aufstöbern konnten. Und natürlich kann es auch jemand sein, den wir noch gar nicht auf dem Radar haben.«
Hadice nickte. »Dann müssen wir eben die Tollwutspur weiterverfolgen.«
»Hab ich mir auch schon gedacht.« Hanna beugte sich vor. »Ich hab inzwischen recherchiert, in welchen Labors in Hamburg überhaupt Tollwutviren auf Lager sind. Und das ist eigentlich nur im Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin der Fall.«
»Bestens.« Theo hob den Daumen. »Und ich kenne sogar jemanden, der da arbeitet.«
Hanna klatschte in die Hände. »Großartig. Ist es also doch noch für was gut, dass du Medizin studiert hast.«
Mitten auf Sankt Pauli, zwischen Reeperbahn und Hafen, zog sich der Backsteinkomplex hin, in dem seit 1914 das Institut für Tropenmedizin untergebracht war. Von dort aus hatte der Robert-Koch-Schüler Bernhard Nocht die Matrosen der im Hafen einlaufenden Schiffe auf Krankheiten inspiziert. An den alten viergeschossigen Ziegelbau mit seinen weißen Sprossenfenstern, den Erkern und dem Turm schloss sich ein schmaler moderner Anbau aus demselben Material an. Während des Studiums hatte Theo hier einen Lehrgang für Tropenkrankheiten gemacht. Er war beeindruckt gewesen von den hohen Sicherheitsvorkehrungen, die in einigen der Labors herrschten: Dort arbeiteten die Forscher mit den gefährlichsten Viren der Welt: Ebola, Pocken, Lassa. Der Hochsicherheitstrakt des Bernhard-Nocht-Instituts gehörte zur obersten Sicherheitsstufe vier. In ganz Deutschland gab es davon nur noch drei weitere.
Am Empfang des Instituts saß eine Frau um die fünfzig mit braun getönten, lockigen Haaren. Hinter ihr waren verschiedene Artefakte ausgestellt, die man käuflich erwerben konnte – von einer Tasse mit einem Aufdruck des Gebäudes bis hin zu einem schwarzen T-Shirt, auf dem neben dem Namen des Instituts eine knallrote Mücke prangte. Das war passend, weil viele Tropenkrankheiten durch Insektenstiche übertragen wurden. Theo beschloss, im Anschluss an den Besuch eines zu erwerben. Lars würde es mit Sicherheit gut gefallen.
»Möchten Sie zur Ambulanz?«, erkundigte sich die Frau vom Empfang und betrachtete
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