In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition)
Sozialberatung.
»Vielleicht kennen die den Lehmann«, sagte Hadice. »Er hat ja immerhin gleich hier ums Eck gewohnt.«
Entschlossen humpelte sie auf das Haus zu. Auf den Bänken links und rechts der weißen Sprossentür saßen vier Männer und genossen die Sonne. »Nu man nich so stürmisch, junge Frau«, sagte einer von ihnen aufgeräumt.
Henry eilte ihr hinterher, während er hastig den Rest seiner Wurst verspeiste.
Die Leiterin der Initiative war eine etwa vierzigjährige Frau mit dunkelbraunem Bob und hellwachem Blick. Sie führte die Kriminalbeamten in ihr Büro und schenkte jedem ein Glas Mineralwasser ein. Dann seufzte sie. »Reinhold Lehmann, natürlich haben wir den gekannt.«
Hadice bemerkte, dass die Frau nervös mit ihrer Kette aus bunten afrikanischen Holztieren spielte.
»Er hat hier manchmal zu Mittag gegessen – wenn er rechtzeitig aus dem Bett gekommen ist.« Sie lächelte schief. »Ehrlich gesagt war er wirklich nicht ganz einfach.«
»Wie meinen Sie das?«, wollte Henry wissen.
»Er gehörte zu denen, die immer anderen die Schuld an ihrer Misere geben. So was ist anstrengend.«
Hadice nickte verständnisvoll.
»Vor allem aber hat ihm Spaß gemacht, die Leute zu kränken«, sagte sie und errötete ein wenig.
Dich hat er offenbar auch drangekriegt, dachte Hadice.
»Er hatte ein unheimliches Gespür dafür, welche Schwachstellen die Menschen haben. Und genau die hat er dann ans Licht gezerrt.« Sie strich sich fahrig die Haare hinter die Ohren und schluckte.
»Können Sie sich erinnern, wann Sie ihn zuletzt gesehen haben?«
Die Frau schüttelte den Kopf. »Das war irgendwann vor ein paar Wochen. Aber genau weiß ich das wirklich nicht mehr.«
»Wissen Sie vielleicht, wer uns sonst noch weiterhelfen könnte?«
Die Leiterin überlegte kurz. Dann erhellte sich ihr Gesicht. »Draußen auf der Bank vor der Tür, da saß vorhin noch Sven. Sven Seeland. Der hat eigentlich dauernd mit Reinhold zusammengehockt.«
»Danke.« Hadice hievte sich schwankend in die Höhe.
»Warum interessiert sich eigentlich auf einmal die Kriminalpolizei für Reinhold? Ich dachte, er ist an einer Tollwutinfektion gestorben.«
»Ist er auch«, sagte Hadice im Hinausgehen. Jetzt suchen wir nur noch nach der Fledermaus auf zwei Beinen, dachte sie im Stillen.
Auf den Bänken vor der Tür hockten noch immer dieselben vier Gestalten.
»Komm, setz dich zu uns, schöne Frau«, sagte der Spaßvogel von vorhin.
»Ist einer von Ihnen Sven Seeland?« Hadice blickte sie der Reihe nach an.
»Wer will das wissen?« Der Mann, der das fragte, war groß und bullig. Die tätowierten Muskelpakete seiner Oberarme waren beeindruckend. Anabolika, vermutete Hadice, und da das Zeug nicht nur die Muskeln schwellen ließ, sondern auch die Aggressionen, war sie auf der Hut.
»Kripo Hamburg«, sagte Henry und hielt ihm den Ausweis vor die Nase.
»Mensch, Sven, was hast du jetzt wieder angestellt?«, fragte sein Banknachbar und brach in dröhnendes Gelächter aus.
»Halt bloß das Maul, Schröder.« Der Muskelbepackte hob drohend die Faust.
»Immer schön mit der Ruhe«, sagte Henry. »Wir haben nur ein, zwei Fragen an Sie.«
»Wegen Ihres Freundes, Reinhold Lehmann.«
Sven Seeland ließ die Faust sinken.
»Springt ’n Bier für mich dabei raus?«
Na, das ist ja ein Herzchen, dachte Hadice. Hier geht’s um seinen toten Kumpel und der Typ denkt nur an Alkohol. Sie nickte knapp. »Geht in Ordnung.«
Zielstrebig steuerte er den Imbiss gegenüber an, wo er lautstark Bier orderte. »Mit ’nem Glas, die Herrschaften zahlen.« Mit großer Geste deutete er auf Henry und Hadice.
Henry zog sein Portemonnaie hervor.
Nach den ersten Schlucken wischte Seeland sich den Schaum vom Mund und starrte sie herausfordernd an. »Worum geht’s hier eigentlich?«
»Wir würden gern wissen, wann Sie Ihren Freund zuletzt gesehen haben.«
»Und warum?«
Hadice seufzte. Das fing ja gut an. »Sehen Sie, wir würden gern herausfinden, was passiert ist. Wo er sich infiziert hat.«
»Mit diesen Scheiß-Tollwutbazillen? Da hab ich wirklich keine Ahnung.«
»Also, wann haben Sie ihn nun zuletzt gesehen?«
Seeland stierte in sein Glas. »Vor drei Wochen waren wir noch zusammen einen trinken.« Er machte eine vage Kopfbewegung in Richtung einer Tür. »In dieser Kneipe. Inges Bierstübchen oder wie der Laden heißt.« Er rülpste unterdrückt. Dann trank er seinen letzten Schluck und knallte das Glas auf den Tisch. »War’s das?«
»Nun mal
Weitere Kostenlose Bücher