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In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition)

In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition)

Titel: In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Fux
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langsam.« Henry hob abwehrend eine Hand. »Seit diesem Abend haben Sie ihn nicht mehr wiedergesehen?«
    »Sag mal, seid ihr taub oder was?«
    Hadice und Henry verzogen keine Miene. »War es ungewöhnlich, dass Sie ihn so lange nicht getroffen haben?«, fragte Hadice.
    »Klar war das ungewöhnlich, sonst haben wir so gut wie jeden Tag zusammen abgehangen.«
    »Und was haben Sie gedacht, als er nicht mehr aufgetaucht ist?«
    Seeland zuckte die mächtigen Schultern. »Nix. Dass er mit dieser Alten einen draufmacht, vermutlich.«
    »Welcher Alten?«
    »Gibt’s noch ’n Bier?«
    Henry ignorierte die Frage. »Verstehe ich Sie richtig, dass Lehmann in der Kneipe eine Frau getroffen hat?«
    »Genau.«
    »Und wissen Sie, wer das war?«
    »Nee. Keinen Schimmer. Hab die Schnalle nie zuvor gesehen.«
    »Beschreiben Sie sie.«
    »Weiß nicht. Sah aus wie ’ne Schlampe. Minirock und hohe Hacken und das ganze Gesicht voll Farbe. Hat ihre Titten rausgestreckt wie sonst was. Wirklich nicht schlecht gebaut. Ungefähr so wie Sie.« Er grinste Hadice anzüglich an.
    Die zuckte mit keiner Wimper. »Haarfarbe?«
    »Blond. Hellblond. So bis hier ungefähr.« Er deutete eine Länge bis zu den Schultern an.
    »Alter?«
    »Irgendwas zwischen zwanzig und vierzig. So wie die Weiber sich immer zukleistern, blickt da ja keiner mehr durch.«
    »Und sind die zwei zusammen gegangen?«
    »Keine Ahnung. Bin vorher abgehauen.«
    »Na?«, fragte Henry und öffnete Hadice die Wagentür.
    »Schon die zweite geheimnisvolle Unbekannte, die in dieser Geschichte auftaucht.«
    Hadice ließ sich auf den Beifahrersitz sinken und hob den verletzten Fuß mit beiden Händen ins aufgeheizte Auto.
    »Hmmm. Eine aufgedonnerte Blondine und eine Brünette mit Klasse.« Henry verstaute die Krücken auf der Rückbank. »Kennst du den Film ›Club der Teufelinnen‹«, fragte er dann.
    »Geht’s da nicht um einen Haufen Frauen, die ihre untreuen Männer in die Mangel nehmen?«
    »Ich sehe, du hast dich mit der Materie befasst.«
    Hadice schnaufte. »Könntest du losfahren und die Klimaanlage anschmeißen? Ich kriege sonst einen Kollaps.«
    Henry startete den Wagen. »Nein, im Ernst, kann es sich da um eine Art Verschwörung handeln?«
    »Du gehst zu oft ins Kino.«
    »Ich gehe so gut wie nie ins Kino. Ich hab Kinder. Ich guck DVDs.«
    Hadice ließ das Fenster herunter. »Ich weiß nicht. Eigentlich glaube ich nicht, dass sich hier ein Haufen Rächerinnen zusammengetan hat.« Sie fächelte sich mit einem ramponierten Stadtplan von 2001 Luft zu. »Ich glaube, das war ein und dieselbe Person, nur in unterschiedlicher Aufmachung.«
    Henry zog die Augenbrauen hoch. »Könnte sein. Und wo machen wir jetzt weiter?«
    »Wir besuchen eine alte Klassenkameradin von mir. Sylvia Kuhn.«
    »Eines von den Mobbingopfern?«
    Hadice nickte und gab die Adresse von DESY in das Navi ein.
    Nathalie erwachte davon, dass sie fror. Die Luft war kühl und roch nach feuchtem Beton. Sie setzte sich auf ihrem Lager auf und versuchte, sich zu orientieren. In dem kreisrunden Raum herrschte grünliches Zwielicht. Wo um alles in der Welt war sie gelandet? Und wie war sie hierhergekommen? Ihr Mund war trocken und ihr war übel. In ihrem Kopf pulsierten die Neuronen.
    Sie erhob sich und ging auf unsicheren Beinen zu einem Schatten in der Wand. Wie vermutet, handelte es sich um eine Tür. Sie war aus schwerem Eisen und mit Nieten besetzt. Sie rüttelte ein paar Mal an der Klinke. Nichts rührte sich. Stöhnend presste sie die Stirn gegen das kalte Metall.
    Sie wankte zurück zu ihrem Lager. Dort entdeckte sie eine Wolldecke, die sorgfältig gefaltet am Fußende lag. Zitternd wickelte sie sich darin ein. Jetzt bloß nicht in Panik verfallen, dachte sie. Sie versuchte, sich zu konzentrieren, doch das war nicht so einfach. Nach und nach ordneten sich ihre Gedanken. Jemand hatte sie offenbar verschleppt und in dieses Verließ gesperrt. Vermutlich irgendjemand mit kruden politischen Ideen oder jemand, der hoffte, Lösegeld zu erpressen. Den Zusammenhang mit ihren toten Schulkameraden schob sie beiseite. Die unvermeidliche Konsequenz daraus war ihr zu bedrohlich.
    Da sie sich an absolut nichts erinnern konnte, hatte man ihr vermutlich irgendwelche K.-o.-Tropfen in den Drink getan. Sie besann sich noch, dass sie in der Oper gewesen war. Und dann? Dann war sie in die Bar im Vier Jahreszeiten gegangen. Dort musste es passiert sein. War da nicht jemand gewesen? Eine Frau? Die Erinnerung war nebulös. Fröstelnd

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