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In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition)

In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition)

Titel: In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Fux
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alte Frau nickte. »Die haben nicht lang gefackelt, bis sie seine Wohnung ausgeräumt haben.« Sie blickte sich um. »Das wird bei mir auch nicht anders sein, wenn ich mal abtrete …«
    »In den Tagen oder Wochen zuvor, ist Ihnen da irgendwas Ungewöhnliches aufgefallen?« Henry beugte sich gespannt vor.
    »In der Tat«, sagte die alte Frau. »Er war über eine Woche nicht zu Hause, der Reinhold. Das hat es vorher noch nie gegeben.«

KAPITEL 16
    »Spurlos verschwunden. Genau wie Klasen«, stellte Henry fest, als sie wieder vor der Haustür standen. Hadice zündete sich eine Zigarette an und inhalierte tief.
    »Das ist doch schon mal ein Anfang. Beide Opfer verschwinden vor ihrem Tod.« Sie lehnte sich an die Hauswand und entlastete ihren kaputten Knöchel. »Offensichtlich hat der Täter sie gekidnappt, sie infiziert und so lange abgewartet, bis sie tot waren. Beziehungsweise im Fall von Sebastian Klasen nicht mehr zu retten und bereits zu verwirrt, um noch irgendetwas über den Täter zu erzählen.«
    »Wirklich teuflisch.«
    »Wo hat man die beiden eigentlich gefunden?«
    »Lehmanns Leiche hat am Moorwerder Hauptdeich gelegen.«
    »Wie idyllisch.« Anders als die meisten Hamburger, für die Wilhelmsburg vornehmlich ein sozialer Brennpunkt war, kannte Hadice auch die ländlichen Ecken der Elbinsel. Hinter den Deichen, die die Bewohner bei Sturmflut schützen sollten, erstreckten sich Wiesen, Felder und sogar landwirtschaftliche Betriebe.
    »Und Klasen ist in der Brackstraße zusammengebrochen, kurz vor der Fußgängerbrücke über die S-Bahn-Schienen«, ergänzte Henry.
    »Da ist nachts auch kein Mensch unterwegs«, sagte Hadice nachdenklich. Sie schnippte den Rest der Zigarette auf die Straße.
    »Willst du etwa zu Fuß loshinken?«
    »Sind nur ein paar Hüpfer. Komm schon, ich brauche Bewegung.«
    Tatsächlich war der Stübenplatz nur wenige hundert Meter entfernt. Auf dem Weg dahin bewunderte Henry die Jugendstilfassaden der sanierten Häuser. Viele hatten die Bombenangriffe des Zweiten Weltkriegs überlebt. Nur hier und da gab es Lücken in den Häuserzeilen.
    »Wozu nach Winterhude ziehen, wenn man in Wilhelmsburg so feudal residieren kann«, witzelte er.
    »Hab ich mir auch gedacht.« Hadice war erst vor wenigen Monaten zurück auf die Elbinsel gezogen, auf der sie ihre Jugend verbracht hatte. Damals hatte sie noch bei der Wilhelmsburger Polizei gearbeitet, wo man sie weniger wegen ihrer türkischen Wurzeln als wegen ihrer Sprachkenntnisse eingesetzt hatte. Seit sie beim Morddezernat war, war ihr Anfahrtsweg zur Arbeit wieder genauso weit wie zuvor. Aber umziehen kam für sie nicht infrage. Sie mochte das bunte Treiben. Mit dem zum Teil arg versnobten Publikum in Hamburgs schicken Stadtvierteln hatte sie wenig am Hut. »Du solltest erst mal den Kanal sehen, der fließt direkt hinter den Häusern entlang«, sagte sie und deutete mit einer Krücke die Ilenbuler hinauf.
    Am Wilhelmsburger Stübenplatz angekommen, betrachteten sie das Treiben zwischen den Marktständen. Henry fuhr sich nachdenklich über die Stoppeln auf seinem Schädel. »Wird nicht leicht, hier Lehmanns Trinkkumpane aufzustöbern.«
    Auch Hadice schaute ratlos auf das Gewimmel von Menschen, die zwischen den Ständen flanierten. Neben frischem Obst und Gemüse aus Moorwerder gab es billige Kleidung und Elektronikkrimskrams. Ein kleiner Junge schnappte sich eine schwarze Baseballkappe mit dem Totenkopfemblem des Fußballclubs Sankt Pauli von einem der Tische und bekam von seiner Mutter eins hinter die Löffel. Ein Gemüsehändler döste, Kaugummi kauend, im Schatten seines Schirms, nicht ohne die Ware im Auge zu behalten. Zwei ältere Frauen begutachteten knallbunte Spitzen-BHs in Übergrößen.
    »Auch wenn wir’s eilig haben, ich brauche jetzt was zu futtern.« Henry steuerte auf einen Imbissstand zu. »Willst du auch eine Currywurst?«
    »Spinnst du, ich bin Muslima«, sagte Hadice. Henry schaute betreten. »Ach quatsch, klar nehm ich eine. Ich bin schließlich assimiliert.«
    Die Sauce war üppig und scharf, wie Hadice es mochte. Während sie den letzten Zipfel ihrer Wurst aufspießte, fiel ihr Blick auf das Wilhelmsburger Deichhaus.
    Das hübsch sanierte Häuschen aus rotem Klinker war das älteste im ganzen Viertel. Seit einigen Jahren beherbergte es die Arbeitsloseninitiative Wilhelmsburg. An der »Wilhelmsburger Tafel« wurde dort kostenloses Essen an Bedürftige ausgeteilt. Außerdem gab es zweimal wöchentlich eine

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