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In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition)

In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition)

Titel: In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Fux
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zog sie die Decke enger um sich. Das verfilzte Material fühlte sich unangenehm auf ihren bloßen Armen und am Hals an. Besonders am Hals. Sie kratzte sich. Dabei berührten ihre Fingerspitzen zwei kleine Verletzungen, auf denen sich bereits Wundschorf gebildet hatte. Tollwut! Das Wort leuchtete vor ihren Augen auf, rote Lettern auf schwarzem Grund. Das Entsetzen schlug seine Krallen in sie, Herz und Gedärm krampften sich zusammen. Sie krümmte sich und rollte sich in embryonaler Stellung auf dem Lager zusammen. In ihrem Blut kreisten zweifellos die tödlichen Viren. Und schon bald würde man sie nicht mehr retten können – auch wenn man sie lebend fand. Also doch! Wie Sebastian. Sie stöhnte und schloss die Augen.
    Irgendwann musste sie weggedämmert sein. Sie fuhr hoch, als eine Stimme sagte: »Und, Nathalie, wie fühlt es sich an, einmal selbst das Opfer zu sein?«

KAPITEL 17
    Theo starrte auf die Frau vor ihm im Sarg und blinzelte. Gerade eben hatte sie sich vor seinen Augen in den Leichnam von Nathalie verwandelt. Dabei sah die Tote seiner einstigen Mitschülerin bis auf das Blondhaar nicht einmal besonders ähnlich. Die Sache machte ihm zu schaffen. Er schloss den Sarg und rollte ihn in den Kühlraum, wo er bis zur morgigen Kremierung gut aufgehoben war.
    Als er den OP verließ, wie er den Raum für die Versorgung der Toten nannte, stieß er unversehens mit May zusammen.
    »Was machst du denn hier?«
    »Ich arbeite hier, schon vergessen?«
    »Aber verflixt, wer kümmert sich dann um die Bestattung von Dr. Rauhfuß?«
    May hob eine Augenbraue. »Morgen, Theo. Die Beisetzung ist erst morgen.«
    Theo stöhnte und rieb sich die Stirn.
    »Und die Linsen habe ich auch nicht gefunden.« Er starrte sie vorwurfsvoll an.
    Wenn Angehörige ihre Verstorbenen noch einmal sehen wollten, mussten die Toten entsprechend präpariert werden. Dazu gehörten auch spezielle, mit Widerhaken versehene Kontaktlinsen, die verhinderten, dass die Augen aufklafften. Eines der vielen Details im Bestattergeschäft, die man den Hinterbliebenen besser ersparte.
    »Wie grässlich«, war auch Hannas Kommentar, als er ihr davon erzählt hatte.
    »Viel grässlicher ist es, wenn den Toten die Augen halb offen stehen.« Dabei hatte er anschaulich dargestellt, wie das aussah.
    Schweigend ging May jetzt zu der alten Kommode neben der Tür, auf der ein großes Paket lag. »Ich schätze mal, die sind hier drin.« Sie reichte ihm das Paket. »Das hast du übrigens gestern selbst in Empfang genommen.«
    »Tatsächlich?«
    Sie überkreuzte die Arme und sah ihn finster an.
    »Darf ich dir mal einen Tipp geben?«
    Theo nickte.
    »Ruf Hanna an.«
    Dass er da nicht selbst draufgekommen war!
    Eine Stunde später saß sie bei ihm auf der Terrasse. Sie trug ein safrangelbes Wickelkleid, das einen tollen Kontrast zu ihren schwarzen Locken bildete. Ihre Füße hatte sie entspannt auf einen weiteren Stuhl gebettet. »Herrlich.« Sie wackelte mit den Zehen.
    Theo tigerte auf und ab. »Ich kann hier doch nicht einfach rumsitzen und gar nichts machen.«
    »Hör auf, die Steinplatten zu malträtieren, und setz dich.«
    Widerwillig ließ er sich auf einen Liegestuhl sinken. »Wenn ich wenigstens diese Sanna ausfindig machen könnte.«
    »War das eine von denen, der diese Nathalie besonders zugesetzt hatte?«
    Er nickte.
    »Was hast du bisher unternommen?«
    »Also, im Hamburger Telefonbuch steht sie schon mal nicht. Und dann habe ich sie gegoogelt.«
    »Und?«
    »Es gibt keine Sanna Sörgel. Zumindest nicht im Web.«
    Hanna packte sich ihre langen Locken und drehte sie zum Knoten. »Was ist mit Facebook und Xing?«
    »Fehlanzeige.«
    Sie zündete sich eine Zigarette an und verfolgte den blauen Dunst mit den Augen.
    »Vermutlich hat sie ganz einfach geheiratet. Oder sie wohnt inzwischen irgendwo anders und führt ein Leben fernab von Social Networks. Aber Hadice müsste sie doch aufstöbern können.«
    »So lange will ich nicht warten.«
    »Was ist mit den Eltern von dieser Sanna?«
    »Pia, du weißt schon, die unser Klassentreffen ausgerichtet hat, hat gemeint, die seien unter der alten Adresse nicht mehr zu erreichen. Unbekannt verzogen.«
    »Aber vielleicht könnte sonst noch jemand was wissen? Nachbarn vielleicht? Oder ihre Busenfreundin aus der Schulzeit?«
    »Du darfst nicht vergessen, dass sie gemobbt wurde. Und Mobbingopfer sind oft ziemlich isoliert.«
    Hanna nickte. »Aber mit irgendjemandem muss sie doch ein bisschen Kontakt gehabt haben.«
    Theo kratzte

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