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In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition)

In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition)

Titel: In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Fux
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zu.
    Der Polizist fixierte sie verstört. Das ist ja wie in einem Zombiefilm, dachte er. Sie war so nah gewesen, er konnte sie unmöglich verfehlt haben. Er sah, wie sie lächelte und den schwarzen Gegenstand auf ihn richtete.
    »Der Lauf des Universums lässt sich nicht aufhalten«, sagte sie freundlich. Dass der Schuss aus nächster Nähe sie nicht getroffen hatte, wunderte sie nicht. Sie löste den Stromstoß aus. Düsterwalds Augen verdrehten sich und er sank auf die Knie.
    Ole sah einen blauen Blitz und dann seinen Kollegen stürzen. Verdammt, was war das? Er machte einen Schritt durch die Tür und stand einer schlanken Frau mit langem Haar gegenüber. Sie lächelte ihn an.
    »Verdammt Junge, nun schieß schon«, brüllte Henry. Dann sah er Sylvia taumeln. Sie stürzte auf die Knie. Das reichte, um Ole aus seiner Erstarrung zu lösen. Er kickte der Angreiferin die Waffe aus der Hand und warf die Frau dann zu Boden. Erst jetzt bemerkte Henry, was sie zu Fall gebracht hatte. Hadice war es gelungen, eine ihrer Krücken zu packen und Sylvia damit die Beine wegzuziehen. Henry atmete laut aus. Er keuchte, als sei er selbst beteiligt gewesen. »Erstklassige Leistung, Frau Kommissarin.« Kurz darauf hörte er, wie der Riegel vor seinem Verließ beiseitegeschoben wurde.

KAPITEL 30
    »Keine Spur«, sagte Hadice gerade mal zwanzig Minuten später, »weder von Theo noch von Nathalie.« Sie saß auf einer Liege im Krankenhaus, wo man sie gegen ihren Protest gründlich durchgecheckt hatte, und benutzte widerrechtlich ihr Mobiltelefon.
    Hanna stöhnte am anderen Ende der Leitung auf. »Das gibt’s doch nicht!«
    »Wir haben alles abgesucht, wirklich buchstäblich jede Ecke. Da war niemand und es sieht auch nicht so aus, als gäbe es da irgendein Versteck, in dem sie jemanden hätte gefangen halten können.«
    »Vielleicht hat sie noch irgendwo anders einen Unterschlupf.«
    »Das können wir natürlich nicht ausschließen.« Hadice knabberte frustriert an ihrem Daumennagel. »Die Kollegen verhören sie gerade. Und sie haben auch ihren Psychiater herbeigeschafft.«
    Hanna hörte an ihrer Stimme, wie sehr es sie umtrieb, nicht dabei sein zu können.
    Dr. Martin Franke betrachtete die Wand vor sich interessiert. Darauf hatte Henry mit einem Beamer das Bild jener Mindmap geworfen, die sie in Sylvias Wohnung an der Wand klebend vorgefunden hatten. Das Vollbild einer Psychose war etwas, das Franke nach all den Jahren wissenschaftlichen Arbeitens mit der Materie noch immer faszinierte. Je intelligenter der Patient war, desto kunstvoller war das Paralleluniversum, das in seinem Kopf entstand. Und Sylvia Kuhn war zweifellos extrem intelligent.
    Er war sich immer der Gefahr bewusst gewesen, dass sie eines Tages eigenmächtig ihre Medikamente absetzen könnte. Die Pillen hielten nicht nur die psychotischen Schübe in Schach, sie lullten das Gehirn insgesamt ein. Wenn Sylvia Kuhn ihre Antipsychotika einnahm, litt die Brillanz ihres Denkens. Sie hatten lange herumgetüftelt, bis sie eine Dosierung gefunden hatten, die die Patientin in der Realität verankerte, ohne ihr zu sehr die mentalen Flügel zu stutzen.
    Aber die Physikerin war mit dem Ergebnis trotzdem nie glücklich gewesen. Er erinnerte sich, wie er mit ihr über den begnadeten Mathematiker und Nobelpreisträger John F. Nash diskutiert hatte, der ebenfalls an Schizophrenie gelitten hatte. Auch er hatte die Tabletten verabscheut, die seinen Geist erlahmen ließen.
    »Er hat sie abgesetzt und er ist klargekommen«, hatte Sylvia Kuhn gesagt. Was sie sagte, stimmte. Nash war zwar weiterhin von seinen psychotischen Halluzinationen heimgesucht worden. Aber es war ihm gelungen, sie zu ignorieren.
    »Ich könnte es auch versuchen.«
    »Die Medikamente heute haben schon viel weniger Nebenwirkungen als zu Nashs Zeiten«, hatte Franke dagegen argumentiert.
    »Es ist trotzdem nicht dasselbe.«
    »Kommt nicht infrage. Es ist zu gefährlich.« Doch er hatte den trotzigen Blick in ihren Augen gesehen und wusste: Irgendwann würde sie es ausprobieren. Und nun war es offenbar so weit gewesen. Vor einer guten Stunde hatte er sie dazu überreden können, die Tabletten einzunehmen, die ihren Geist wieder aus den Verstrickungen der Wahnvorstellungen herauslocken sollten. Allerdings würde Sylvia noch etwas Zeit brauchen, bis sie zumindest halbwegs wieder in der Realität ankam, die er und die meisten Menschen kannten.
    Er war vollkommen fasziniert von der strukturierten Komplexität der Mindmap, die

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