In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition)
Haus verlassen hat?«
»Es ist nicht mein Haus.«
»Pardon. Das Haus Ihrer ehemaligen Zieheltern.«
Sylvia schwieg.
»Frau Kuhn!«
»Theo ist in einer Mission unterwegs. Das habe ich Ihnen doch bereits gesagt. Und mehr kann ich zu der Angelegenheit nicht sagen.«
»Aber er ist verschwunden.«
»Dann ist das wohl ein Teil des Plans.«
Franke unterdrückte ein Seufzen. Ganz offensichtlich hatten die Tabletten Sylvia Kuhns Psychose noch nicht wesentlich erschüttert.
»Theo Matthies ist in Gefahr.«
Sylvia lachte. »Das glaube ich kaum.«
»Wenn ich es Ihnen doch sage.«
Sie hob geringschätzig eine Augenbraue.
»Ihm droht das Gleiche wie Ihren ehemaligen Schulkameraden. Sebastian Klasen und Reinhold Lehmann.«
»Und Nathalie Stüven nicht zu vergessen.« Sie runzelte die Stirn. »Aber nicht Theo.«
Franke überlegte kurz, ob Sylvia Kuhn nicht doch eine Rolle in der verwirrenden Angelegenheit spielte. »Aber Theo ist doch auch Teil Ihres Konzepts. Ich meine, die Mindmap, die wir bei Ihnen in der Wohnung gefunden haben.«
»Oh, Sie haben sie also gefunden.« Sie lächelte stolz. »Ist sie nicht wunderbar?«
»Zweifellos.«
»Aber ich glaube kaum, dass Sie den Plan dahinter verstehen.«
Franke musste insgeheim zugeben, dass sie recht hatte. »Aber ich kann erkennen, dass Theo ein Teil davon ist.«
»Genau genommen sind wir alle Teil von allem«, sagte Sylvia.
Franke sah ein, dass er so nicht weiterkam.
»Was ist mit dem Anruf, den Theo bekommen hat?«
Die Physikerin betrachtete ihn erneut argwöhnisch. »Woher wissen Sie davon?«
»Die Polizei hat seine Anruferliste.«
»Verstehe.« Ihr Misstrauen, das ein typisches Symptom ihrer Krankheit war, schien sich für den Moment zu verflüchtigen. Vielleicht schlugen die Medikamente doch schon ein wenig an, hoffte Franke. »Franziska Richter hat ihn angerufen. Auch eine ehemalige Schulkollegin. Daraufhin ist er aufgebrochen und verschwunden.«
»Er wollte zu Sanna Sörgel, nicht wahr?«, wagte Franke einen Vorstoß.
»Wie kommen Sie denn darauf?« Silvia schüttelte den Kopf.
Als Frankes Hoffnungen schon schwanden, sagte sie: »Er wollte nicht zu Sanna. Er wollte zu ihrer Großmutter.«
Als Theo erwachte, fühlte er sich zum ersten Mal in seiner Gefangenschaft hellwach. Der dumpfe Nebel war aus seinem Kopf verschwunden. Neben ihm lag Nathalie auf dem Lager und schlief offensichtlich fest.
Sein Mund war trocken wie ein ägyptisches Wadi. Was zum Teufel hatte diese Wahnsinnige ihnen bloß verabreicht, als sie so urplötzlich im Verlies aufgetaucht war? Sie hatte erst Theo und dann Nathalie ein Paar Handschellen zugeworfen, die sie sich gegenseitig anlegen mussten. Anschließend hatte sie beide gezwungen, ein Glas mit Wasser zu leeren, das ganz offensichtlich kein reines H2O enthalten hatte.
Erst jetzt fiel ihm die Spritze wieder ein, die er in ihrer Hand blitzen gesehen hatte. Er stöhnte. Vermutlich hatte sie ihn spätestens jetzt auch infiziert. Auf den Zinnober mit dem Fledermausbiss hatte sie wohl diesmal ganz einfach verzichtet. Er merkte, wie sich langsam Panik in ihm ausbreitete, und bewunderte Nathalie, die sich schließlich seit Tagen in der gleichen Situation befand, für ihre Gefasstheit. Hektisch tastete er mit beiden Händen seinen Hals ab und fand tatsächlich eine leicht geschwollene Stelle. War das ein Einstich oder ein Pickel? Mit einem Ruck erhob er sich und griff die Wasserflache vom Tisch. Gierig trank er. Das kalte Wasser in seinem Magen ließ ihn ruhiger werden.
Wie konnte Sylvia ihm das antun? Die Frau musste wirklich vollkommen irre sein. Er hatte ihr nie im Leben etwas angetan. Okay, er hatte ihr auch nicht geholfen, aber ihn dafür so elendig verrecken zu lassen? Dabei hatte sie ihn noch geküsst.
Er erinnerte sich jetzt, wie er sie freundlich, aber bestimmt weggeschoben hatte. Und dann hatte er ihr von Hanna erzählt. War es das gewesen? War sie beleidigt gewesen, weil er sie verschmäht hatte? So gekränkt, dass sie ihn umbringen wollte? Himmel, da blieb er angesichts der Versuchung einmal standhaft und nun hatte er den Schlamassel.
Weitere Details fielen ihm ein. Dass sein Handy sich gemeldet hatte beispielsweise, mit dem schrecklichen Tony-Marschall-Schlager, den ihm Lilly untergejubelt hatte. Er trank noch einen Schluck Wasser, langsam diesmal, und merkte, wie sich die Puzzleteile seiner Erinnerung weiter ineinanderfügten.
Richtig, Franziska hatte ihn angerufen! Ihr war eingefallen, dass Sanna eine Großmutter
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