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In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition)

In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition)

Titel: In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Fux
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er ganz einfach sein.« Hanna notierte sich die angegebene Praxisnummer.
    Sie kamen überein, dass Hanna, die gut Französisch sprach, den Anruf übernehmen sollte.
    »Wie spät ist es da jetzt überhaupt?«
    Fatih suchte nach der aktuellen Quebec-Time im Netz. »16 Uhr – Teatime.«
    »Aber da ist auch Sonnabend. Ich glaube kaum, dass er den in seiner Praxis verbringt.« Trotzdem machten sie einen Versuch. Nach dreimaligem Klingeln sprang der Anrufbeantworter an. Sprechstunde Montag bis Freitag 7.30 Uhr bis 17.00 Uhr. Fatih suchte weiter. Und fand einen Soergel, G. in der Avenue Montrose im feinen Stadtteil Westmount. Er schrieb die Nummer auf einen Zettel und reichte ihn Hanna.
    Sie holte tief Luft und wählte die dreizehnstellige Ziffernfolge. Die anderen richteten ihre Blicke auf sie, sogar der Mops spürte die Spannung im Raum und setzte sich aufrecht hin, den Blick fest auf Hanna geheftet. Sie wandte sich ab und trat, das Telefon am Ohr, zum Fenster.
    In 5750 Kilometern Entfernung eilte eine schlanke, nicht mehr junge Frau zum Telefon. In der Hand hielt sie eine Gartenschere, mit der sie soeben die verblühten Rosen abgeknipst hatte. »Allo, oui?«, sagte sie und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn.
    »Bonjour, je m’appelle Hanna Winter. Desolé de vous déranger le samedi après-midi, Madame.«
    Die Frau in Montreal wunderte sich kurz, dass die tiefe Stimme am Telefon einer Frau gehören sollte. »Ne vous inquiétez pas«, sagte sie dann. Erst dann registrierte sie den deutschen Akzent und die Hamburger Vorwahl. Sehr vorsichtig legte sie die Gartenschere auf das Telefontischchen aus poliertem Nussbaumholz.
    »Verzeihung, aber können wir deutsch sprechen?«, fragte die Stimme jenseits des Ozeans.
    Melanie Sörgel zögerte. »Ja, natürlich.«
    »Bin ich richtig beim Anschluss von Dr. Gerhard Sörgel, vormals Orthopäde in Hamburg-Wilhelmsburg?«
    »Das stimmt«, sagte die Arztfrau.
    »Ich bin auf der Suche nach Ihrer Tochter. Sanna.«
    Melanie Sörgel spürte, wie ihr schwindelig wurde. Sie presste das Telefon gegen ihre Brust, in der ihr Herz plötzlich das doppelte Tempo eingeschlagen hatte. Sie holte tief Luft. Dann beendete sie das Telefonat ohne ein weiteres Wort.
    Hanna drehte sich wieder zu den anderen herum. »Aufgelegt«, sagte sie verblüfft.

KAPITEL 29
    Hadice stand noch immer in der Mitte des Wohnzimmers, als aus dem Keller plötzlich dumpfe Geräusche drangen. Was zum Kuckuck treibt der Kerl da unten?, dachte sie. Sie verfluchte ihren gebrochenen Knöchel, der sie langsam und unbeweglich machte. Der Raum mit den heruntergelassenen Jalousien wirkte klaustrophobisch. Sie wandte sich um, um die Fenster zu öffnen, als sie eine Stimme hinter sich hörte: »Hadice, was mache ich bloß mit dir?«
    In der Tür stand Sylvia. Sie sah vollkommen gelassen aus. In ihrer Hand hielt sie einen schwarzen Gegenstand, den Hadice nicht einordnen konnte.
    »Ich bin jedenfalls keine Antimaterie, die du einfach verpuffen lassen kannst.« Hadice lächelte schief.
    »Wie kannst du dir da so sicher sein?«, fragte Sylvia, und Hadice dachte kurz: Ja, wieso eigentlich?
    »Wo ist Theo?« Sie war grimmig entschlossen, sich von keinerlei elementarphysikalischen Fragestellungen ablenken zu lassen.
    »Theo hat eine Mission zu erfüllen.« Sylvia runzelte die Stirn. »Eine wichtige. Und ich bin mir gerade nicht sicher, auf wessen Seite du stehst. Ob du die Sache behinderst oder unterstützt.«
    »Was denn für eine Mission?«
    »Aber das hab ich euch doch erzählt. Es geht immer noch um die Balance.«
    Okay, dachte Hadice, die Frau ist komplett durchgeknallt. Und es ist an mir, sie irgendwie in den Griff zu kriegen.
    Unten im Keller hatte Henry aufgehört zu toben und sich stattdessen an den Computer gesetzt. Nicht nur die Straße, auch das Innenleben des Hauses war videoüberwacht, stellte er fest. So konnte er verfolgen, was im Wohnzimmer vor sich ging. Und er dachte: Egal, wie verrückt sie ist, sie hat recht. Damals ist so viel schiefgelaufen. Und das muss jetzt irgendwie wieder geradegerückt werden.
    »Ist er noch hier?«, fragte Hadice unterdessen ein Stockwerk über ihm. Ihr Herz raste.
    »Nein.« Sylvias Blick war vollkommen klar, was ihre surrealen Gedankengänge umso unheimlicher machte. »Er musste gehen. Das ist Teil des Plans.«
    »Was für ein Plan?«
    »Deine Frage zeigt nur, dass du nicht Teil davon bist.«
    Holy Shit, dachte Hadice. »Wo zum Kuckuck ist er hin?«, versuchte sie

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